Psst!
Reden ist Silber. Miteinander reden ist Gold.
21.09.2024 23:35

Halt den Mund! Pfarrerin Stefanie Schardien hat zunehmend den Eindruck, dass sich Menschen fürchten, den Mund aufzumachen. Weil sie Angst haben, dass dann andere gleich explodieren. Weil man sich nur anbrüllt und sowieso weiß, was der oder die sagen wird. In ihrem Wort zum Sonntag geht es um dieses Verstummen, das uns überhaupt nicht guttut. Gegen diese bösen Mächte in unserem Leben hilft nur eins: endlich anfangen wieder miteinander über das Wichtige zu reden.

Sendung nachlesen:

Eigentlich hätte ich damals gern was gesagt. Damals in der Schule, mit 16. Dieser doofe Zettel mit der Karikatur über mich. Der ging unter dem Tisch rum mit Getuschel und Gekicher – bis er bei mir war. Wie gemein. Eigentlich hätte ich was sagen müssen, aber: nichts. Der Hals war mir wie zugeschnürt. Und diese Angst: Wenn ich was sage, wird ja alles nur viel schlimmer. Tja - Ziel erreicht.

Die Szene kam mir sofort wieder hoch, als ich kürzlich eine Email nach einem Wort zum Sonntag bekam. Das hat jemandem wohl nicht gepasst und so schickt der mir nur zwei Worte mit Ausrufezeichen: "Sei leise!!" Aber heute - schönen Gruß - nee, bin ich nicht.  Seit der Sache in der Schule damals eben nicht mehr.

Seit damals gehört für mich dieses "Andere verstummen lassen", andere mundtot machen zu wollen, in die Liga "Böse Mächte". Die Leben klein halten und kaputt machen. Die Bibel nennt sie Dämonen. Da gibt es diese Geschichte, dass ein Dämon einen Mann verstummen lässt. Der hat einfach keine Stimme mehr. Also die Art von Stummheit, die keine Krankheit ist, sondern die aus Furcht entsteht. Die einem den Hals zuschnürt und einen dann viel runterschlucken lässt.

Im Moment scheinen diese Dämonen Hochkonjunktur zu haben: Wie oft höre ich, dass Menschen sich fürchten, den Mund aufzumachen? Weil sie Angst haben, dass dann andere gleich explodieren. Weil man sich nur anbrüllt, sowieso weiß, was der oder die sagen wird. Wie oft höre ich: "Über Politik reden wir nicht mehr, übers Wählen schon gar nicht. Kannste vergessen." Weil das ja nur Ärger gibt. Ändert doch eh nix.

Dabei wäre es so wichtig. Wir haben ja viele Themen, für die wir als Gesellschaft, in unserer Stadt, in unserem Dorf oder auch nur im Eltern-Chat eine Lösung finden müssen. Müssen! Weil es anders im Zusammenleben nicht geht. Aber nein: Lieber reden wir nicht mehr einfach mit allen über Politik, und auch nicht über gerechte Sprache, über Migration, übers Fleischessen. Maximal geht noch das Wetter, solange es nicht das Klima ist. Und so laut es um uns ist: Irgendwie wird es zwischen uns immer stiller und stiller. Wenn ich was sage, wird es ja nur schlimmer. Das ist die Art von Stummheit, die uns überhaupt nicht guttut. Weil sie den bösen Mächten in unserem Leben immer mehr Raum lässt.

Darum tut Jesus auch was dagegen in dieser Geschichte mit dem stummen Mann. Gottes gute Mächte gegen die bösen. Jesus befreit den Mann vom Dämon, von der Furcht zu sprechen. Den Dämon schickt er zum Teufel und den Mann zurück zu den anderen Menschen. "Ihr könnt jetzt wieder miteinander reden." Ohne Angst.

Wie befreiend das ist, diese Erfahrung machen manche aktuell beim Hochwasser. In der gemeinsamen Not rücken die Menschen zusammen. Die Dämonen, die verstummen lassen, sind weg. Da wird miteinander geredet: "Was brauchst du? Ich helfe dir. Wo kann ich anpacken? So geht’s vielleicht schneller. Wir schaffen das." Schluss mit "Ich sag lieber nix".

Was für ein Segen zu sehen, wie schnell sich Dämonen auch wieder vertreiben lassen.

Und was für ein Segen zu erleben:
Reden ist Silber. Schweigen… nein, Miteinander (!) reden ist Gold.

Ich wünsche Ihnen eine gesegnete Nacht.  

Sendeort und Mitwirkende

Bayrischer Rundfunk (BR)

Redaktion: Sabine Rauh-Rosenbauer

Das Wort zum Sonntag