Das Wort zum Sonntag: "Wo bleibst du, Trost der ganzen Welt?"
Pastoralreferentin Verena M. Kitz
01.12.2012 22:40

Der Kontrast könnte kaum größer sein: Jetzt am ersten Adventswochenende strahlen überall die Lichterketten, die meisten spüren schon die typische Mischung von Hektik und Vorfreude auf Weihnachten. Aber für die Menschen, die mit der Caritas-Werkstatt in Titisee-Neustadt im Schwarzwald verbunden sind, ist das anders. Seit der Brandkatastrophe am letzen Montag ist ihr Leben voll Trauer und Dunkelheit: Vierzehn Menschen, dreizehn mit einer Behinderung, sind da zu Tode gekommen, viele sind verletzt an Leib und Seele. Heute war ja der große Trauergottesdienst, in dem für sie alle gebetet wurde.

 

Ich habe in dieser Woche immer wieder an die Familien denken müssen, die da einen Angehörigen verloren haben: Jemanden, der ihnen sicher ganz besonders am Herzen lag. Leben mit einer Behinderung – das ist für alle in der Familie eine große Herausforderung. Aber gerade deswegen hängt man besonders aneinander.

 

Wie kann man da weiterleben? Die Familien und alle, die mit der Werkstatt verbunden sind? Natürlich muss weiter nach den Ursachen der Katastrophe geforscht werden, der Brandschutz in solchen Einrichtungen noch einmal geprüft werden. Aber selbst, wenn alles aufgeklärt ist, die Sicherheitsstandards überall noch höher werden, es bleibt die quälende Frage: Warum? Warum mussten Menschen so sterben? Warum ausgerechnet die, die es doch sowieso im Leben nicht leicht haben? Warum passiert immer wieder so etwas, trotz aller Vorsichtsmaßnahmen? Und wie kann Gott das zulassen, der doch gerade die Armen in unserer Gesellschaft liebt?

 

Ich habe da keine Antwort: Ich glaube, nichts kann unbegreifliches Leid erklären oder rechtfertigen. Ich kann auch Gott nicht erklären. Ich kann nur davon reden, wie ich versuche, mit dem Leid irgendwie zu leben. Mir helfen zum Beispiel die alten Adventslieder. Die singen nicht von Glanz und Gloria. Die beklagen das himmelschreiende Leid, das Menschen aushalten müssen: "Hier leiden wir die größte Not. Vor Augen steht der ewig Tod", heißt es in einem Adventslied aus der Zeit des 30-jährigen Krieges. Und sie klagen Gott an: "Wo bleibst du Trost, der ganzen Welt, darauf sie all ihr Hoffnung stellt?" Aber sie flehen auch zu Gott. "Oh komm, ach komm, vom höchsten Saal, komm, tröst uns hier im Jammertal!" Sie haben gespürt: Hier auf der Erde finden wir keine Erklärung, keinen wirklichen Trost. In ihrer Not rufen sie zum Himmel, mit ihrer Klage, aber auch mit ihrer Sehnsucht nach Trost und Sinn.

 

Der Trost fällt nicht vom Himmel. Aber für mich ist das ein Anfang: Wenn ich mein Leid nicht nur in mir verschließe, sondern beklage. Wenn jemand da ist, der mir zuhört und beisteht. Ich glaube, das ist auch für die Menschen von der Caritas-Werkstatt eine große Unterstützung. Trotzdem bleibt die Trauer, die Not, das, was ich nicht begreife. Und das bringe ich vor den unbegreiflichen Gott, an den ich glaube. Zum Beispiel, wenn ich die alten Lieder singe.

 

Und morgen früh, wenn ich die erste Kerze auf dem Adventskranz anzünde, will ich an die Menschen von der Caritaswerkstatt denken und für sie beten: Für die Toten und für die Lebenden: Dass sie Trost erfahren – durch andere Menschen und auch durch Gott. Im alten Adventslied wird er genannt: Trost der ganzen Welt.

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