Das Wort zum Sonntag: Der Wert "Mensch"
Pastorin Nora Steen
05.01.2013 22:40

Für einen meiner Freunde war es diesmal ein ganz besonderer Jahreswechsel. Er  hat zum Jahresende seinen gut bezahlten Job bei einer Versicherung gekündigt. 25 Jahre war er da angestellt, so gut wie unkündbar. Nette Kollegen, einige Schritte auf der Karriereleiter. Das hätte so weitergehen können. Aber er  wollte das nicht. Seit langem hatte er immer stärker das Gefühl, dass es für ihn Wichtigeres im Leben gibt als ein hohes Gehalt. Er möchte zukünftig mehr  Zeit haben für das, was ihm wichtig ist. Irgendwann war es ihm ganz klar: Das Leben ist kostbar. Die Zeit zerrinnt uns zwischen den Fingern, wenn wir nicht aufpassen.

 

Als er dann vor einigen Wochen aus freien Stücken kündigte, schauten ihn viele seiner Kollegen ungläubig an: Wie kann er einfach so das aufs Spiel setzen, was ihm so viel Sicherheit gibt? Ist das nicht bodenlos naiv? Andere bewunderten ihn eher und gaben zu, dass sie manchmal davon auch träumen – einfach aussteigen aus dem Getriebe und was ganz anderes machen.

 

Angesichts dieses Wagnisses meines Freundes erscheinen mir manche aktuellen Diskussionen wie die um die Höhe des Kanzlergehalts ziemlich absurd. Natürlich kenne ich diesen Gedanken von mir selbst: Müsste ich nicht für das, was ich leiste, mehr Gehalt bekommen, weil ich genauso engagiert bin wie jemand, der in der Wirtschaft arbeitet, aber um ein Vielfaches mehr verdient als ich? Geld kratzt schnell am Ego.

 

Ich merke zum Glück schnell: Diese Gedanken sind ein Irrweg. Klar: Ohne Geld läuft in dieser Welt gar nichts. Es muss mir meinen Lebensunterhalt sichern – dafür arbeite ich ja auch. Aber: Geld ist nichts anderes als ein Tauschmittel! Über den Wert eines Menschen, die Leistung einer Person, sagt es deshalb rein gar nichts aus – kann es gar nichts aussagen. Wer also versucht, den Wert seiner Arbeit über die Höhe des Gehaltes zu definieren, wird nie genug bekommen können und dennoch nie zufrieden sein.

 

Wer in unserer Gesellschaft verantwortliche Positionen übernimmt, macht das nicht wegen der Höhe des Einkommens, sondern um der Gemeinschaft zu dienen. Entscheidender als die Gehaltshöhe ist für mich deshalb die Frage: Bin ich als Pastorin, als Sozialarbeiter oder Politiker an der richtigen Stelle? Kann ich die Fähigkeiten und Begabungen, die mir geschenkt sind, sinnvoll einbringen? Und wenn ich tatsächlich das Gefühl habe, nicht genügend Geld dafür zu bekommen – liegt vielleicht die Wurzel meiner Unzufriedenheit ganz woanders? Dann wäre zu fragen: Kann ich irgendetwas an dieser Situation ändern?

 

Immer wieder bewundere ich diejenigen, die damals vor 2000 Jahren einfach alles stehen und liegen gelassen haben, um Jesus zu folgen, seine Jünger. Viele haben dafür ihren Broterwerb aufgegeben. Und alles nur, weil da einer war, der etwas tief in ihnen angerührt hat. Der eine Liebe und eine Hoffnungskraft ausstrahlt, die sie nicht mehr losgelassen hat. Naiv – oder: beneidenswert?

 

Mein Freund hat gemerkt: Allein ein gutes Gehalt und ein sicherer Job schenken ihm kein erfülltes Leben. Jetzt betritt er Neuland und der Ausgang dieses Abenteuers ist offen, denn er ist jetzt Freiberufler - er wird jetzt mit Bücherschreiben sein Geld verdienen. Viel weniger als in seinem früheren Job bei der Versicherung. Er weiß: Geld ist wichtig. Aber: Geld ist nicht alles.

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(NDR)
Senderbeauftragter Jan Dieckmann
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