Das Wort zum Sonntag: "Dankbar genießen"
Pfarrer i.R. Alfred Buß
05.10.2013 22:35

Auf einem kleinen Bauernhof wuchs ich auf –mitten in Ostfriesland. Da lernte ich früh: Brot, Eier oder Fleisch sind keine Sachen. Was wir essen und trinken, wächst aus der Erde oder kommt von unseren Mitgeschöpfen, den Tieren. Wenn unsere Mutter samstags Brot backte, erfüllte der Duft das ganze Haus. Dieser Duft ruft bis heute in mir wach: Brot ist kostbar. Einkaufen musste ich – als Jüngster – was wir auf dem Hof nicht selber hatten. Meine Mutter schrieb mir genau auf, was wir brauchten. Manchmal strich sie auch wieder was aus, weil das Geld dafür nicht reichte. Nahrung war kostbar. Wenn wir gemeinsam aßen, dankten wir Gott, dem Geber aller Gaben –für das tägliche Brot.

 

Wenn ich heute einkaufe, liegt regelmäßig mehr im Wagen, als ich reinlegen wollte - Sonderangebote zum Beispiel. Oder Gaumenfreuden für schöne Anlässe. Vorsichtshalber.

 

Wie ich, machen das viele. Ein voller Kühlschrank beruhigt. Für jede Lebens- oder Gemütslage ist da was drin. Freilich: Nahrungsmittel sind verderblich. Die Ablaufuhr tickt. Dann ex und hopp. Und neu einkaufen gehen. 

 

Lebensmittel landen im Müll – tonnenweise. Viel Essbares ist schon weggeworfen, bevor es den Verbraucher überhaupt erreicht. So bleiben Früchte liegen, schon auf dem Acker, weil sie der Norm nicht entsprechen, in Farbe, Größe, Aussehen. Und dann sortieren Händler aus: Drei Pfirsiche schimmelig? Schon wird die ganze Stiege entsorgt. Die Optik muss stimmen. Alle Brotsorten müssen vorrätig sein - bis Ladenschluss. Danach fliegen sie in den Müll oder werden verheizt. 500 Tausend Tonnen Brot jährlich.

 

Vernichtung von Lebensmitteln erhöht die Nachfrage. Und höhere Nachfrage führt zu höheren Preisen. An der Lebensmittelbörse. Höhere Weltmarktpreise aber können Menschen in armen Ländern nicht mehr bezahlen. Ihnen fehlt das Nötigste zum Leben. Viele hungern. Und auf ihren Feldern? Wächst Soja. Für den Export. Denn Soja ist Futter für unser Vieh. Groß ist bei uns der Hunger auf Fleisch.

 

Volle Fleischtheken und Müllcontainer hier – leere Mägen dort. Verkehrte Welt. Morgen feiern wir Erntedank. Ein Bibelwort sagt: „Nichts ist verkehrt, wenn es mit Danksagung genossen wird[1]. Das müssen wir uns auf der Zunge zergehen lassen: Mit Danksagung genießen. Wer dankt, nimmt mit allen Sinnen wahr, was er da isst. Woher kommt dieses Nahrungsmittel? Entspringt es dem Raubbau an Natur, Tier und Mensch? Oder wurde es schonend und nachhaltig erzeugt? Dass alle leben können. Was ich gutheißen kann, das kann ich auch genießen. Dankbaren Herzens.

 

Lebensmittel sind viel zu kostbar für die Tonne. Ich werde doch nichts wegwerfen, was gut aussieht, riecht und schmeckt – nur weil der Stempelaufdruck das will. Der zeigt eh’ nur die Mindest –Haltbarkeit. Handelsketten können Müllvermeidung zum Unternehmensziel machen. Und die Politik kann Rahmenbedingungen setzen – zum Beispiel Müllgebühren für Container mit Lebensmitteln drastisch erhöhen.

 

Was wir essen und trinken, sind keine Sachen. Es sind Schöpfungsgaben. In Fülle. Gott segnet und sättigt, was lebt. Wenn unser Lebensstil das nur zulassen würde. „Nichts ist verkehrt, wenn es mit Danksagung genossen wird“. Wenn denn wirklich alle satt würden, es wäre Gott ein Vergnügen.

 



[1] 1. Timotheus 4,4

 

Sendeort und Mitwirkende

Westtdeutscher Rundfunk