Spurensuche
Das Warten hat ein Ende
09.04.2022 10:00

Warten fällt schwer

Wie lange warte ich jetzt schon auf meinen Bus? Das sind doch mindestens 5 Minuten, die er wieder mal zu spät kommt! Und ich stehe hier herum und kann nichts tun – na toll.

 Warten fällt schwer. Zumal in einer Zeit, in der sich viele daran gewöhnt haben, dass sich viele Wünsche schnell über das Internet erfüllen lassen. Wenn dann die Technik versagt, herrscht erst einmal Frust. Oder wenn Lieferketten nicht mehr funktionieren und bestimmte Regale in den Geschäften plötzlich leer sind. Oder wenn die üblichen diplomatischen Mittel versagen und in Europa wieder Krieg herrscht.

Von der kleinen Unannehmlichkeit bis zu den großen Krisen unserer Zeit bleibt doch eines gleich: Es frustriert und zermürbt uns, wenn wir (und andere!) unter einer Situation leiden und wenig tun können, um sie zu verändern. Wir sehnen eine Lösung herbei und wissen oft auch schon, wie sie aussähe – wäre sie nur endlich schon da!

 

Jesus in Jerusalem

Morgen ist Palmsonntag und die christlichen Kirchen erinnern dabei an den Einzug von Jesus in Jerusalem. Jesus ist eine Zeit lang in Israel umhergezogen, hat Menschen um sich gesammelt und durch Wunder und öffentliche Reden auf sich aufmerksam gemacht. Nun kommt er in die Hauptstadt, und die Geschichte spitzt sich zu. Wie werden die politischen und religiösen Machthaber reagieren? Und mit welchem Anspruch tritt Jesus in Jerusalem auf?

Jesus reitet auf einem jungen Esel in die Stadt ein. Die Menschen legen ihm frische Palmzweige und ihre Kleider auf den Weg und zeigen ihm so, dass sie ihn wie einen König ehren. Ich sehe eine seltsame Mischung aus Euphorie und vielleicht überraschender Bescheidenheit bei Jesus. Die römischen Besatzer haben in dieser Stadt zuvor mit einem triumphalen Einmarsch Macht und Stärke demonstriert. Dagegen kann der Esel, auf dem Jesus nun reitet, doch nur mickrig wirken.

Und doch sehen viele Jubelnde in Jesus mehr als nur einen charismatischen Wanderprediger. Die Erzählung vom Einzug in Jerusalem zitiert einen anderen Text der Bibel, den Propheten Sacharja: „Du, Tochter Zion, freue dich sehr, und du, Tochter Jerusalem, jauchze! Siehe, dein König kommt zu dir, ein Gerechter und ein Helfer, arm und reitet auf einem Esel, auf einem Füllen einer Eselin.“ Vielen wird dieser Text als Weihnachtslied bekannt sein. Für die Menschen in Jerusalem verbindet sich damit zunächst die Hoffnung auf den Messias, den Friedensfürsten, der Israel wieder aufbaut und aus der römischen Besatzung befreit. Nun scheint das Warten auf diesen Retter also ein Ende zu haben – und die Leute feiern das.

 

Anders als erwartet

Jesus tritt aber anders auf, als die Menschen es von ihm erwarten. Er wendet sich den Ausgestoßenen und Benachteiligten der Gesellschaft zu, scheint sich nicht dafür zu interessieren, wie es um seinen Einfluss bei den Mächtigen und den Meinungsmachern steht. Er predigt eine Liebe, die selbstlos erscheint, die sogar nach dem Wohl der Feinde fragt. Das ist kein Programm, mit dem man Wahlen gewinnt (– bis heute).

In den folgenden Tagen macht sich Jesus in Jerusalem viele Feinde. So haben sich weder die Menschen auf der Straße noch die religiöse Elite den Messias vorgestellt. Es dauert keine Woche und der Hoffnungsträger wird hingerichtet. Doch das ist nicht das Ende der Geschichte. Selbst den Tod als Märtyrer unterläuft Jesus und überwindet ihn. Wider Erwarten und alle Vernunft bleibt er gegenwärtig im Leben der Menschen, die er mit seiner Botschaft berührt hat.

Die Botschaft des Palmsonntag bleibt in Kraft: Das Warten hat ein Ende. Die Welt muss nicht so bleiben wie sie im Moment ist. Mit dem Frühling kommt neues Leben in die Natur. Sie treibt junge Zweige und Blüten aus einem altem Gehölz hervor. Das tut dem Auge und der Seele gut. Und ist ein Gleichnis. Auch ein Krieg wird ein Ende haben. Eine Krankheit geheilt werden. Die Antwort auf ein Problem wird nicht unbedingt so aussehen, wie ich erwarte. Und doch kann es sie geben.