Aller Abschied fällt schwer
mit Pfarrerin Stefanie Schardien
09.07.2022 23:50

Nächste Woche verabschieden wir einen tollen Mitarbeiter aus unserer Gemeinde. Was ich da mal wieder merke: Ich bin einfach keine Heldin im Abschiednehmen. Ich meine nicht die kleinen Abschiede. Sich in die Ferien verabschieden. Sowas kann ich. Ich meine: Umzüge in andere Städte, super Kollegen ziehen lassen, den Tod von lieben Menschen,… Große Abschiede. Ich weiß, die gehören dazu im Leben, aber:… jedes Mal würde ich am liebsten alles festhalten. Oder wenn das schon nicht geht, dann würde ich den Abschied wenigstens einfach überspringen. Nur nach vorn schauen, nicht zurück… Fand Jesus das nicht auch schon am besten? „Wer die Hand an den Pflug legt und blickt zurück, der ist nicht geschickt für das Reich Gottes.“ 

Warum ich was von Abschied erzähle? An so einem schönen Sommerabend? Weil ich glaube: Wir müssen da dringend ran. Weil das für die kommenden Zeiten eine unserer Riesenaufgaben wird: Das Abschiednehmen. Von allem Möglichen: Von irgendwie Banalem wie ständigem Autofahren oder Fliegen, aber auch von Öl, Gas, bei uns in der Kirche von Mitgliedern. Vom sicher geglaubten  Wohlstand für alle. Und jetzt sogar noch vom Frieden in Europa. Lebt wohl, ihr Selbstverständlichkeiten. Schluss mit „Höher, schneller, weiter.“ Die fetten Jahre sind vorbei. 

Wie macht man das? Abschiede…. durchstehen? Viele von uns müssen das üben. Psychologisch gesehen sind wir nämlich fast alle keine Abschiedshelden, sondern eher Modell Klammeraffe: Festhalten! Müssen wir also üben, was Jesus wollte: „Bloß nicht zurückschauen“? Loslassen? 

Lernen können wir was von Fortgeschrittenen im Abschiednehmen. In meiner Gemeinde, im Seniorenclub etwa… da haben viele die mageren Kriegsjahre erlebt. Und ihre halbe Familie beerdigt. Was sie mir erzählen: „Du musst jetzt einfach nach vorn schauen“ Sowas hilft nicht. Man kann ja erst mal gar nicht anders als zurückzuschauen. Verlorenes zu beweinen. Sonst holt die Trauer dich später ein! Und Schönreden hilft auch nicht. Eine Witwe meinte: „Sätze wie `Das wird schon so seinen Sinn gehabt haben.´ - Das klang immer, als müsste ich dadurch weniger traurig sein. War ich aber nicht.“ 

Also: Abschiede sollten wir ehrlich auch so nennen und aushalten. Nicht vermeintlich sinnvoll umdeuten, nicht schönreden: Weniger Wohlstand als Befreiung vom ständigen Konsumdenken? Oder bei uns in der Kirche: Unser Schrumpfen als „Erlösung“? Nee, dafür tut das alles zu weh. Trauern über das, was uns wichtig war, Zurückschauen braucht Zeit. Und wenn es gut läuft, trösten wir einander dabei. 

Dann geht’s ans Nach-Vorn-Schauen, aber eben erst dann. Gute Neuanfänge brauchen gute Abschiede. Weil erst dann Kopf und Herz freier sind für Neues. Weil wir durch die Abschiedserfahrungen wissen, was wir für die Zukunft wollen: Saubere Energiequellen, gute Friedenspolitik, enkeltauglicher leben. Darum müssen wir dann nicht mehr klammern, zurückschauen. Vielleicht meinte Jesus das mit dem Pflug: Wer die Zukunft beackert, muss sie dann auch in den Blick nehmen. 

Leicht wird das mit dem Abschiednehmen nicht. Versprochen. Aber es gibt viele, die uns zur Seite stehen mit Erfahrung, im Trauern, Trösten und Neuanfangen. Gott vorneweg. Auch versprochen. Ich wünsch uns Mut beim Üben und Ihnen eine gesegnete Nacht. 

 


 

Sendeort und Mitwirkende

Bayrischer Rundfunk (BR)

Redaktion: Tilmann Kleinjung

Senderbeauftragte/r