Leere Versprechungen

Leere Versprechungen
mit Pfarrer Christian Rommert aus Bochum
20.03.2021 - 23:50

„Christian, Du darfst alles denken, aber bitte nicht alles sagen!“.

Zum ersten Mal habe ich das von ihr gehört: Am ersten Schultag! In der ersten Klasse!

Und ihr war das wirklich wichtig: Denn wir lebten in der DDR. In Eisenach.

„Du darfst alles denken, aber nicht alles sagen!“

Andererseits: wir waren auch Christen und kannten das Wort Jesu aus der Bergpredigt:

 „Eure Rede sei ja, ja oder nein, nein. Alles andere ist vom Bösen.“

Eine Leitlinie für Christinnen und Christen.

Ihr sollt nicht schwören! Bei Euch soll ein einfaches Ja genügen. Man soll sich auf Euer Wort verlassen können.

Das schreibt Jesus seinen Nachfolgerinnen und Nachfolgern ins Stammbuch.

Nicht „Ihr sollt Euch um die Wahrheit drücken und Euch herauswinden.“

Ihr Gläubigen seid frei von den Zwängen dieser Welt, ihr sollt Euch anders verhalten.

Warum haben wir uns an dieses Gebot Jesu nicht gehalten? Damals… in der DDR…

Wir  waren vorsichtig. Mussten wir sein!

„Schaut Ihr Westfernsehn?“ … Ja, ja! Nein, nein?

„Du darfst alles denken, aber nicht alles sagen.“

Als Kind musste ich lernen: es ist klüger, nicht immer alles herauszuposaunen.

Das ist notwendig in solch einem System wie der DDR.

Wo Du Angst hattest, dass Dir aus allem ein Strick gedreht werden kann.

Über 30 Jahre ist das her.

Eure Rede sei ja, ja oder nein, nein. Alles andere ist vom Bösen.

Das sollte doch eigentlich jetzt möglich sein…!

Angst brauche ich keine mehr haben! Ich darf sagen, was ich denke.

Jede und jeder darf was sagen, andere könnten, Behörden könnten, Kirchen könnten, Regierungen könnten… aber…: sie tun es nicht.

Warum müssen Betroffene sexualisierter Gewalt jahrzehntelang auf Gerechtigkeit warten? Oder: War es nicht absehbar, dass das nicht klappen kann mit den Tests bis zum erneuten Schulstart?

Ich kann es nicht glauben, dass das nicht schon einen Tag vorher klar sein konnte.

Aber warum sagt es keiner der Verantwortlichen? Die Wahrheit!

Oder Impfungen, groß seit Jahresbeginn angekündigt.

Aber keiner sagte, dass wir gar nicht genug Impfstoff haben. Warum nicht?

Haben sie  Angst? Wovor?

Da wünsche ich mir Klarheit: Ja, ja bis Montag ist alles da! Oder Nein, nein wir schaffen das nicht rechtzeitig! Klarheit! Stattdessen: hin und her. Versprechungen machen und nicht einhalten können.

Ok, soweit im Großen. Aber wer mit einem Finger auf andere zeigt, zeigt mit drei Fingern auf sich selbst. Oder: was siehst Du den Splitter im Auge des Anderen und siehst den Balken in Deinem nicht. Wie ist das denn  bei mir im Privaten … mit dem Ja, ja und nein nein.

 „Sag mal, meinst Du, ich hab zugenommen?“

„Äh, nein!!

„Papa, schau mal, was ich gemalt habe!“

„Oh, wie schön das geworden ist!“

Unklar bleiben um des lieben Friedens willen. Nicht nur die Politik kann das… ich kann das also auch…

Aber wie wollen wir denn Vertrauen ineinander haben… in solch einer kritischen Situation wie aktuell…, wenn wir uns nicht auf unsere Worte verlassen können. Im Kleinen und im Großen! Klarheit  statt und Taktieren um des lieben Frieden willens.

Ich jedenfalls bin so: mir sagt man lieber eine Wahrheit, die wehtut, als eine Lüge, die tröstet! Vielleicht geht das anderen genauso? Dann mal los: Eure Rede sei ja, ja oder nein, nein!