(Bau-) Geschichte der Blankeneser Kirche

(Bau-) Geschichte der Blankeneser Kirche

Kirchengemeinde Blankenese

Die Blankeneser Kirche steht nur wenige Schritte vom Markt entfernt, dem betriebsamen Zentrum des westlichsten Hamburger Elbvororts. Ihr 58 Meter hoher Turm ist „weithin leuchtendes Wahrzeichen der Gemeinde“, wie es ein Zeitgenosse am 19. August 1896 anlässlich der Einweihung stolz beschrieb. Der idyllisch am Elbhang gelegene Ort, einst vornehmlich von Fischern und Schiffern besiedelt, blickt auf eine über 700-jährige Geschichte zurück – doch ein eigenes Gotteshaus bekamen die Blankeneser erst vor 118 Jahren. Bis dahin wanderten sie zum sonntäglichen Gottesdienst am Flussufer entlang gen Osten ins benachbarte Nienstedten, zu dessen großer Kirchengemeinde sie gehörten.

 

Ab Mitte des 19. Jahrhunderts entwickeln sich Blankenese und das nördlich angrenzende Bauerndorf Dockenhuden zu beliebten Villengegenden, dank des Zuzugs aus der nahen Großstadt wächst die Bevölkerung stetig. Das Nienstedtener Kirchspiel wird geteilt, ein zweiter Pastor eingestellt. Der Seelsorgermöchte inmitten in seiner Schützlinge leben und predigen, er engagiert sich für einen Kirchenneubau in Blankenese. Mittel aus Staats- oder Kirchenkassen gibt es kaum, dafür aber eine äußerst spendenfreudige Gemeinde – eine Eigenschaft, die sie bis heute auszeichnet und die dem Kirchenbau immer wieder zugute gekommen ist. Von der „Orgel an bis zu den Altargeräten, von dem Bauplatze bis zur Thurmspitze“, so betonte Propst Paulsen 1896 in seiner Festpredigt zur Einweihung der Kirche, sei alles „aus freiwilligen Gaben angeschafft“.

 

Am 27. Juni 1895 wird auf einem damals noch parkartigen Grundstück nahe dem Bahnhof der Grundstein gelegt, bereits 14 Monate später der erste Gottesdienst gefeiert. Bauinspektor Ernst Erhardt, damals mit der Restaurierung des Schleswiger Doms beschäftigt, entwirft für Blankenese einen schlichten Backsteinbau mittlerer Größe im aktuellen neogotischen Stil. Das Pastorat zur Linken plant der Berliner Architekt gleich mit, das rechts gelegene kommt 1910 dazu.

 

Gewölbe Vorraum
Die Kirche hat einen kreuzförmigen Grundriss mit wenig ausgreifendem Querschiff und vorgesetztem Westturm. Man betritt sie durch ein von Sandsteinsäulen flankiertes Portal, die Lünette darüber ziert ein Bild aus Glasmosaiken: Christus mit seinen Jüngern in Emmaus. Rein äußerlich hat sich das Gebäude, seit 2010 denkmalgeschützt, kaum verändert. Der Innenraum dagegen, ehedem charakterisiert von viel Holz, üppig ornamentierten Schnitzereien und neugotischen Fenstern in düsteren Farben, hat sein Gesicht Ende der 50er Jahre grundlegend verwandelt. Die Kirche hatte den Zweiten Weltkrieg ohne substanzielle Schäden überstanden. Allerdings war im März 1943 durch die Druckwelle einer nahebei detonierenden Luftmine ein Teil der Fenster zerstört bzw. schwer beschädigt worden. Auch das Dach hatte gelitten. Restaurierung oder Modernisierung? Nach zähem Ringen entschied sich der Kirchenvorstand Anfang 1958, den optimistischen Geist der Wirtschaftswunderjahre einziehen zu lassen. Die Architekten Friedhelm Grundmann und Horst Sandtmann sowie der Bildhauer und Glasmaler Siegfried Assmann verwandelten die Kirche in eine lichte, großzügige Andachtstätte.

 

Während der neugotische Raum ursprünglich vertikal gegliedert war, zielt Grundmann auf eine „Demokratisierung“, betont die Horizontale und löst die Distanz zwischen versammelter Gemeinde und Altarbereich auf. Er baut eine hufeisenförmige Empore ein, die – wie im Theater – fast rangartig in den Chor hineinragt. Das Längsschiff überspannt er mit einem flachen Tonnengewölbe aus Kiefernholz, unter dem die einst schwere Decke verschwand. Alles ist auf den mit schwarzem Granit auslegten Altarraum hin konzipiert, der durch Stufen erhöht wird. Die Prinzipalstücke sind gradlinig bis kantig: ein mittig platzierter Altartisch aus schwarzem Basalt, darüber ein 1,30 Meter hohes Bronze-Kruzifix; links die Kanzel, deren Bronzekorpus auf einem Sockel aus weißem Marmor ruht. Damit korrespondiert das wohl älteste und wertvollste Stück der Kirche: der schwere glockenförmige Taufstein, um 1250 in einer Bronzegießerei an der Niederelbe gefertigt. Dieser Taufkessel zierte ursprünglich die Nienstedtener Kirche und wurde den Blankenesern beim Umzug in ihr eigenes Gotteshaus geschenkt.

 

Prägend für den Raumeindruck sind die vier leuchtend farbigen Fenster im Chor, deren Motive der Lebensgeschichte Jesu entlehnt sind. Ganz links die Passion Christi, der im Garten Gethsemane, vor Pilatus und sein Kreuz tragend dargestellt wird. Zentral über dem Altar ist das Pfingstfenster angeordnet: Oben thront Christus, ihm zu Füßen die Symbole der vier Evangelisten, darunter die Ausgießung des Heiligen Geistes. Es folgen das Osterfenster mit offenem Grab und Christi Himmelfahrt, ganz rechts (von vorn nicht sichtbar) und das Bergpredigtfenster. Siegfried Assmann ergänzt den Zyklus mit zwei Schwarzweißbildfenstern an den Stirnseiten des Querschiffs: links die Weihnachtsgeschichte mit Verkündigung, Geburt und Flucht nach Ägypten; rechts Petri Fischzug, eingefügt in eine Blankenese-Kulisse mit Andeutungen von Süllberg und Treppenviertel. Erst 1996, zum 100. Geburtstag der Kirche, wurde auch die Rosette über dem Eingangsportal neugestaltet – eine Arbeit der hiesigen Künstlerin Anni Scheder-Beschien.

 

Neugotisches Backstein-Ensemble: Die Blankeneser Kirche wird flankiert von zwei Pastoraten, das linke erbaut in 1895/96, das rechte aus dem Jahr 1910
Großer Respekt vor der Umgestaltung von 1958 bestimmte die jüngste Renovierung im Jahr 2010. Der Kircheninnenraum erhielt ein frisches weißes Farbkleid, störende Wandleuchten verschwanden zugunsten einer Lichtführung, die nach den Plänen des renommierten Eichstätter Ingenieurbüros Bamberger weitgehend unsichtbar in die Architektur eingefügt ist. Ganz behutsam wurde auch ein Schritt zurück in die alte Zeit getan: Im Eingangsbereich, der von einem Sterngewölbe überspannt ist, zauberten Restauratoren den roten Backstein wieder hervor.

 

In der Blankeneser Kirche, die bis zu 600 Menschen Platz bietet, wird sonntags zweimal Gottesdienst gefeiert. Der spätere nimmt ganz besonders junge Familien in den Blick. Mittwochs trifft sich die Gemeinde zudem zur Abendandacht. Seit seiner Eröffnung hat das Gotteshaus eine Anziehungskraft als Veranstaltungsort –  für Vorträge, Ausstellungen und vor allem Konzerte, darunter Oratorien-Aufführungen der Blankeneser Kantorei ebenso wie Auftritte des Gospelchors und Konzerte des Schleswig-Holstein Musik Festivals. 1991 wurde eine neue – die dritte - Orgel eingeweiht, ein Instrument mit 3168 Pfeifen und 43 Registern aus der Manufaktur des Hamburger Orgelbauers Rudolf von Beckerath.