Geschichte der Karlskirche in Kassel

Geschichte der Karlskirche in Kassel

Die Karlskirche ist eine typische Hugenotten­kirche. Schon ihr Äußeres unterscheidet sie von anderen Kirchen. Ihr gestreckter, achteckiger Grundriss nimmt die Tradition der französischen Hugenottenkirchen auf. Ihr Mittelpunkt ist die Kanzel als Ort der Predigt. 

 

Das hugenottische Erbe wird wachgehalten, indem im Februar jeden Jahres die Kirchweih (12. Februar 1710) gefeiert wird und Vorträge an die Geschichte und Gegenwart reformierter Gedanken und Historie erinnern. 2010 wurden mit dem Hugenottentag und einer Ausstellung dem 300-jährigen Bestehen der Karlskirche gedacht.

 

Gründungsgeschichte

Im Haus von Henri Grandidier am Entenanger wurde am 28. Oktober 1685 ein erster Gottesdienst abgehalten. Ab November 1684 durfte die französische Gemeinde in der Brüderkirche ihre Gottesdienste feiern. Später wurde ihnen auch die Schlosskirche überlassen und ab 1691 wurden dreimal wöchentlich Betstunden in der Oberneustadt abgehalten.

 

Als im Jahr 1697 alle Hoffnungen auf eine Rückkehr nach Frankreich durch den Frieden von Rijswijk zunichte gemacht wurden, entstand der Wunsch nach Errichtung eigener Kirchen. Um die Jahreswende 1696/97 reichte die noch junge französische Gemeinde der Oberneustadt beim Landgrafen eine Bittschrift ein, ihnen den Neubau einer eigenen Kirche zu gestatten. Ein Bauplatz für die Kirche war in der Stadtplanung von Anfang an vorgesehen.

 

Medaille im Fundament des Hauptportals

Der französische Architekt und Hofbaumeister Paul du Ry (1640-1714) wurde mit Planung und Durchführung eines Kirchenbaus beauftragt. Landgraf Karl legte am 3. August 1698, seinem 45. Geburtstag, den Grundstein für die Oberneustädter Kirche, wie die Karlskirche bis 1906 hieß. Zur Feier des Tages wurden zwei unterschiedliche Medaillen hergestellt, von denen eine etwas später in die Fundamente des Hauptportals gelegt wurde, das damals zur Frankfurter Straße hin lag.

 

Die Kirche wurde am 5. Oktober 1706 vollendet und am 12. Februar 1710 von Paul Joly aus Metz, dem "Pasteur" der französischen Altstadtgemeinde, in den Dienst genommen. Die Kosten des Baus wurden zum größten Teil vom Bauherrn, dem Landgrafen Karl, getragen.

 

Architektur nach dem "Temple Neuf" von Montauban

Die Architektur des "Temple", wie die Hugenotten ihre Kirchen nannten, orientierte sich an einigen Vorgängerbauten in Frankreich, namentlich am "Temple Neuf" von Montauban, der leider nicht erhalten geblieben ist. Der Bau wurde als gestrecktes Achteck mit innen ringsum nach außen ansteigenden Bankreihen errichtet. Die Kanzel befand sich an der Nordwestseite über dem Pult des "Lecteur". Statt des Altars stand in der Mitte des Raumes ein einfacher Abendmahlstisch.

 

Der Stuhl des Landgrafen befand sich gegenüber der Kanzel an der Südostseite. Ungewöhnlich für eine Hugenottenkirche waren die mächtige Kuppel, der auffällige Treppenhausvorbau mit Segmentgiebel und Portal und die Orgel im Inneren. Offensichtlich hat der Landgraf selbst die Anregungen hierzu gegeben. Die von du Ry ursprünglich geplante Laterne als Bekrönung der Kuppel wurde nicht ausgeführt. Stattdessen wurde ein kleiner achteckiger Glockenturm gebaut, den man 1892 durch einen strittigen Aufsatz ersetzte. Wohl aus Platzmangel wurde im Jahre 1730 eine untere, 1874 eine obere Empore in Form von einfachen Holzbühnen eingebaut.

 

Sternenhimmel in der Kuppel

Das ansonsten beschieferte Dach war in seinem oberen Teil mit Blei gedeckt, das 1754 durch einen Kupferbelag ersetzt wurde. Gleichzeitig wurde die Kirche weiß gestrichen. Auch das Innere erhielt wenig später einen weißen Anstrich. Die Kuppel war von Innen mit einem Sternenhimmel bemalt.

 

Die Karlskirche wurde im Zweiten Weltkrieg durch Bomben zunächst schwer beschädigt und brannte während des Bombardements in der Nacht vom 22. auf den 23. Oktober 1943 bis auf die Grundmauern aus. Die wertvollen alten Altargeräte konnten geborgen werden. Beim Abbruch der Reste des Treppenhausvorbaus nach Kriegsende fand man die zur Grundsteinlegung 1698 geprägte Gedenkmedaille.

 

Bericht nach dem Krieg: "Die Karlskirche ist total zerstört"

Der Zustandsbericht über Kriegsschäden vom 18. Juni1949 trägt die Notiz: "Die Karlskirche ist total zerstört. Gottesdienst findet in der katholischen Kirche statt." Die Oberneustädter Gemeinde und der Propst des Sprengels Kassel setzen sich für die Erhaltung der Karlskirche ein. Weil Teile der Ruine einsturzgefährdet seien, schlägt das Bauaufsichtsamt der Stadt Kassel am 21. September 1949 eine "Gesamtbereinigung" vor. Im August 1950 lehnt der Kirchenvorstand den Vorschlag, die Ruine der Karlskirche der Stadt Kassel als Gedächtnisstätte für die Opfer des Krieges zu überlassen, einstimmig ab.

 

Gegen Ende des Jahres wird der Beschluss gefasst, die Ruine zunächst gegen weiteren Verfall zu sichern. Das Mauerwerk wird in Höhe des Gesimses mit Zement abgedeckt. 1952 avisiert Landeskirchenbaurat Maurer gegenüber der Oberen Denkmalbehörde in Wiesbaden die Ausschreibung eines Wettbewerbes zum Wiederaufbau der Karlskirche.

 

Einweihungsgottesdienst im April 1957

Er schlägt vor, die Kuppel nicht wiederaufzubauen und das Hauptportal aufgrund der verbreiterten Frankfurter Straße zur Wilhelmstraße hin zu verlegen. Dort befand sich früher die Kanzel, bzw. der Altar. Nach der Durchführung des Architektenwettbewerbs wird im Januar 1954 der Kasseler Architekt Walter Seidel mit dem Bau beauftragt.

 

Im Frühjahr 1957 wird die Karlskirche fertiggestellt und am Palmsonntag, dem 14. April 1957, findet der feierliche Einweihungsgottesdienst statt. Erst im August wird die Firma Bosch (Kassel) mit dem Bau der Orgel beauftragt. Diese wird am 26. April 1959 eingeweiht.

 

Dr. Christoph Lange