Geschichte der Kirche St. Martin in der Mauer in Prag

Geschichte der Kirche St. Martin in der Mauer in Prag

Die Kirche St. Martin in der Mauer wurde in den Jahren 1178-87 im romanischen Stil gebaut. Als später eine neue Stadtmauer errichtet wurde und die Kirche im gotischen Stil so umgebaut wurde, dass ein Teil ihres Mauerwerks direkt an diese Stadtmauer anschloss, kam sie zu ihrem Namen: "St. Martin in der Mauer“. Die Pfarrer der Martinskirche schlossen sich sehr früh der Reformbewegung an, die zur tschechischen Reformation führte. Zum berühmtesten Augenblick der Kirche St. Martin in der Mauer kam es im Herbst 1414: Nach einigen hundert Jahren wurde in Prag erstmals wieder das Abendmahl in beiderlei Gestalt gefeiert – mit Brot und Wein für alle Teilnehmer. Die Martinskirche bildete damals eine wichtige Säule der Prager Reformation und erlebte in der Folgezeit eine neue Blüte.

 

Schließung und Zerstörung

Bereits im Jahr 1622 fand jedoch die offizielle "Abberufung“ des Kelchs an gerade dem Ort statt, an dem er während der tschechischen Reformation zum ersten Mal den Laien gereicht worden war. Der letzte evangelische Eintrag in die Chronik stammt vom 13. Dezember 1621: "Als der Erlass der Priesterschaft (über den Ausschluss der nichtkatholischen Geistlichen) gegen den Pfarrer und andere erging, trafen sich diese und saßen traurig beisammen ...“ Zuvor hatte bereits die Pest in Prag gewütet, Ende des 17. Jahrhunderts zerstörte dann ein Prager Großbrand Dach, Turm und Glocken der Kirche. Kaiser Josef II. ließ die Kirche und den dazugehörigen Friedhof nach einem Besuch im Jahre 1784 gänzlich schließen, da er sie als "finster, feucht und mitgenommen“ befand.

 

Jüngere Geschichte und das Wiederanknüpfen an die Tradition

Das Gebäude diente von nun an als Lagerraum, als Wohn- und Geschäftshaus, beherbergte einen berühmten Delikatessenladen sowie eine Kneipe, zu der vielleicht sogar ein Tanzsaal gehörte. Um die Wende vom 19. zum 20. Jahrhundert wurde das Gebäude dann von der Stadt gekauft, rekonstruiert und nach dem ersten Weltkrieg langfristig der Evangelischen Kirche der Böhmischen Brüder verpachtet.


Bis zum heutigen Tag dient es nun wieder als Kirche, genutzt überwiegend für die Jugendarbeit (Abendgottesdienste) und fremdsprachige Gottesdienste (früher auf Englisch, nun auf Deutsch). Unter der kommunistischen Diktatur bildeten die Abendgottesdienste ein wichtiges geistliches Zentrum der in Prag studierenden evangelischen Jugend, und die Kirche Sankt Martin in der Mauer trug dadurch einen bedeutenden Teil zur Entwicklung der gegenwärtigen Generation evangelischer Gläubiger bei.

 

Gestaltung und Symbole

Der goldene Kelch mit der Bibel an der Stirnseite der Kirche, Symbol der Kirche der Böhmischen Brüder, verweist auf die zwei wichtigen Handlungen, die in diesen Räumen seit den Hussitenzeiten bis heute (mit einer langen Pause von 1784-1918) zelebriert werden: Es wird das Gotteswort gepredigt und Abendmahl gefeiert.


Eine echte Rarität ist die Holzbalkendecke im linken Schiff, reich bemalt mit Pflanzen- und Tiermotiven. Entstanden ist sie wahrscheinlich nach dem Großbrand von 1678. Sehenswert ist auch die Verzierung der Decke des Hauptschiffes – man findet dort beispielsweise ein Schild mit dem Wappen des tschechischen Königreichs (Löwe mit Doppelschwanz im Sprung, umgeben von einem Lorbeerkranz) oder die Wappen bedeutender Stifter aus dem 16. Jahrhundert (silberner Wolf mit goldener Zunge, silberner Anker mit drei Haken).


Der einheitliche Eindruck, den man im Inneren erhält und der durch die schlichte, evangelische Ausstattung verstärkt wird, steht im starken Kontrast zur Außenansicht: Hier ist die Kirche sehr vielgliedrig und es verbinden sich in ihr gotische, barocke und neugotische Türmchen, Tore, Elemente - die alle eine eigenen Teil der Geschichte der Kirche erzählen könnten.