Auch wenn ich schwach bin, kann ich stark sein
Pastoralreferentin Verena M. Kitz
10.06.2011 22:10

Es war der Samstag nach Ostern, vor sechs Jahren. Ich war spät abends noch am Tischdecken, weil wir am nächsten Tag eine große Familienfeier hatten. Auf einmal hörte ich ein tiefes, dunkles Glockenläuten – und ich hab sofort gedacht: Der Papst ist gestorben. Seine schwere Krankheit war in diesen Tagen ja ständig Thema. Und so war es auch: Karol Wojtyla, Papst Johannes Paul II., war gestorben.
 

Und morgen wird er in Rom, nach nur sechs Jahren, feierlich seliggesprochen. Damit sagt die katholische Kirche soviel wie: Wir vertrauen fest darauf, dass dieser Papst bei Gott gut angekommen ist. Durch sein Leben und seinen Glauben ist er für uns Vorbild. Wir können ihn um seinen Beistand bitten.
 

Für viele Leute ist das schwer nachzuvollziehen. Wie können die von der Kirche so etwas sagen? Wer weiß schon, was nach dem Tod ist? Und ausgerechnet dieser Papst – Vorbild? Viele ärgern sich und sagen: Der hat doch trotz Aids weiter Kondome verboten und auch sonst so viel zurückgedreht in der Kirche!

 

Viele andere – die verehren ihn glühend: "Santo subito" – sofort heiligsprechen, hieß es schon gleich nach seinem Tod! Jugendliche auf der ganzen Welt hat er begeistert. Und er, der polnische Papst, hat einigen Anteil am Ende des Ostblocks.

 

Wenn ich mich frage, wie ich zu ihm stehe? Dann kann ich sagen: Für mich ist er tatsächlich so etwas wie ein Vorbild. Natürlich habe ich auch so manche Fragezeichen – als Frau in der katholischen Kirche! Aber er hat mich auch tief beeindruckt – mit ganz vielem, was er in seinem Leben bewirkt hat. Vor allem aber haben mich die letzten Wochen seines Lebens sehr bewegt.

Ich hab ihn noch genau vor Augen: Diesen schwer kranken alten Mann. Wie er in seinem Krankenstuhl hing. Kaum noch ein Wort herausbrachte, der Speichel lief ihm aus dem Mund. Und das vor allen Kameras – er, der fit und dynamisch Papst wurde, durch die ganze Welt gereist ist.

Viele haben diese Bilder schockiert, mich auch. So hätte ich mich doch nie gezeigt! Wenn es mir nicht gut geht, wenn ich deswegen etwas nicht schaffe, dann soll das möglichst niemand mitbekommen! Wie abhängig bin ich von dem, wie ich aussehe, was ich leisten kann! Aber bei diesen Bildern des alten kranken Papstes hab ich mich gefragt: Bin ich eigentlich nur was wert, wenn ich stark bin?

 

Natürlich weiß ich vom Kopf her: Jeder Mensch ist wertvoll. Und ich glaube: Gott liebt mich, wie ich bin, egal, was ich leiste. Aber wirklich zu meinen Schwächen stehen, zugeben, dass ich nicht alles im Griff habe? Ich drücke mich ja schon oft, nur die Lesebrille rauszuholen oder meine Stützstrümpfe anzuziehen, geschweige denn einzugestehen, wenn ich nicht weiter weiß oder Angst habe. Wie abhängig sind andere erst nach einem Schlaganfall oder durch ihr hohes Alter!

Papst Johannes Paul II. hat sich in seiner ganzen Schwäche gezeigt, darin ist er mir Vorbild! Ich weiß nicht, was ihn letztlich dazu bewegt hat. Mir hat er damit vorgelebt: Ich muss nicht nur stark sein. Auch meine schwachen Seiten gehören zu mir, so bitter das manchmal ist. Vielleicht helfen sie mir sogar besonders, nicht nur zu wissen, sondern zu spüren: Gott liebt mich so, wie ich wirklich bin: Mit meinen Stärken und mit meinen Schwächen. Und das macht mich stark, auch wenn ich schwach bin!

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