Das Wort zum Sonntag: "Hier wird gebaut"
Pfarrer Dr. Wolfgang Beck
09.03.2013 22:10

Liebe Zuschauerinnen und Zuschauer,

 

es wird doch weiter gebaut. Im Loch am Stuttgarter Bahnhof wird wohl weiter gearbeitet. Die Hamburger Elbphilharmonie bekommt auch noch ein richtiges Dach. Und vielleicht wird sogar die Berliner Flughaften-Baustelle in den nächsten Monaten wiederbelebt.

 

Diese Bauprojekte, mit ihren beeindruckenden Pannen und Fehlplanungen, begegnen uns in den Nachrichtensendungen immer wieder. Als große Bauprojekte in unserem Land können sie mich schon mal zum Schmunzeln bringen, wohl auch, weil ich nicht unmittelbar betroffen und mitverantwortlich bin.

 

Da möchte ein ganzes Land doch eigentlich auf sich stolz sein, angesichts der Wirtschaftslage und der positiven Entwicklung des Arbeitsmarktes. Alles könnte gut laufen, doch dann gibt es diese lästigen Meldungen: Wieder wird in Stuttgart über den Bahnhof und dessen Wirtschaftlichkeit diskutiert. Immer wieder gibt es neue Schreckensmeldungen von den Kosten beim Bau der Elbphilharmonie in Hamburg und nach Berlin traut sich sowieso fast kein Manager mehr.

 

Es sind Baustellen, die ärgerlich sind und am Image des hochgelobten Industriestandortes Deutschland kratzen.

 

Ein wenig mögen diese Baustellen aber ja auch ihr Gutes haben: Könnte es sein, dass sie ganz gut und zuverlässig verhindern, dass wir in Deutschland übermütig werden? Sie mindern ein wenig die Wirtschaftsarroganz und es schadet bestimmt nicht, wenn auch in Griechenland und Italien über Deutschland gelacht werden kann. Außerdem werfen sie unbequeme Fragen auf, etwa diese: Ab welchem Punkt darf eigentlich ein Bauprojekt mit seinen explodierenden und zuvor ganz bewusst schöngerechneten Kosten als gescheitert gelten?

 

Und: Was sind eigentlich die wirklich wichtigen "Baustellen", auf die ein Armutsbericht in der letzten Woche hingewiesen hat – natürlich nicht, ohne zuvor noch ordentlich geschönt worden zu sein? Es gibt "Baustellen", die nicht aus Stahl und Beton bestehen und bei denen die Milliarden nicht so "leichtfüßig" ausgegeben werden, wie in den Bauruinen dieses Landes.

 

Übrigens: Auch die Bibel kennt die Erzählungen von verschiedenen Bauvorhaben. Nun, dass der Turmbau von Babel gründlich danebengegangen ist, dürfte allgemein bekannt sein. Ein anderes Projekt ist im alttestamentlichen Buch Nehemia beschrieben. Da geht es um den Wiederaufbau der Stadt Jerusalem nach ihrer Zerstörung. Und es gibt Gespött über das Vorhaben bei denen, die von außen zuschauen. Auch gibt es Unzufriedenheit bei den Menschen, die bei dem Projekt mitmachen, und alles kommt ins Stocken. Der oberste Bauherr muss alle Kräfte mobilisieren, um seine Leute zu motivieren. So verzichtet er sogar auf sein Honorar, um auch alle anderen zu ermutigen und zu motivieren. Man stelle sich das in Hamburg oder Berlin vor. Und die Last des Baus wird nicht einfach auf die kleinen Leute abgewälzt, sondern vor allem von den Wohlhabenden getragen, also gerecht verteilt. Bemerkenswert!

 

Auch deshalb geht beim Jerusalemer Bau am Ende alles gut und endet in einem Gottesdienst, einem großen Fest und in der zentralen Erkenntnis: "Macht euch keine Sorgen; denn die Freude am Herrn ist eure Stärke!" So besteht vielleicht auch bei den Pannen und Desastern deutscher Bauherren und -frauen die Hoffnung, dass aus Schmunzeln und Lästern am Ende etwas Vernünftiges entsteht, und nicht nur an den Prestigebauten weitergearbeitet wird.

 

Einen gesegneten Sonntag!

Sendeort und Mitwirkende

Kath. Rundfunkreferat NDR

Andreas Herzig
Danziger Str. 52 a, 20099 Hamburg,
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