Das Wort zum Sonntag: "Hingehen, Farbe bekennen!"
Pastoralreferentin Verena M. Kitz
11.05.2013 22:40

"Da hätten wir eigentlich alle hingehen müssen, Farbe bekennen." Das hat eine Freundin zu mir gesagt. Ich hatte ihr erzählt, dass meine Tochter mitgegangen ist: Bei einer Demonstration gegen rechte Gewalt am 1. Mai. Meine Freundin hat recht: "Wir hätten alle hingehen müssen, Farbe bekennen!"  

 

Wie wichtig das ist, das ist mir gleich Anfang dieser Woche noch mal klar geworden: Der lang erwartete Prozess gegen Beate Zschäpe und vier andere Unterstützer des Nationalsozialistischen Untergrundes hat begonnen. Nächste Woche wird er fortgesetzt. Zehn Morde sollen die Mitglieder des NSU verübt haben, acht der Getöteten waren türkischstämmig. Und Polizei und Verfassungsschutz haben wohl viele Hinweise auf einen rechtsextremen Hintergrund ignoriert. Von Vertuschung ist die Rede.

 

Hingehen, Farbe bekennen. Wie wichtig das ist, hat mir auch der Gedenktag gestern noch einmal gezeigt: Vor 80 Jahren, am 10. Mai 1933, haben die Nationalsozialisten an vielen Orten in Deutschland Bücher verbrannt. Und nach den Büchern waren dann bald Menschen dran, wurden verfolgt, getötet, verbrannt.

 

Hingehen. Farbe bekennen! Klar, hinterher ist man immer klüger und kann auf die anderen schimpfen: Die hätten etwas dagegen tun müssen. Damals. Und heute erst recht. Ja, natürlich müssen Politiker, Beamte, Gerichte entschieden vorgehen gegen rechtsextremes Denken, gegen Gewalt. Was da schief läuft, muss aufgeklärt werden. Aber auch wir als einzelne sind gefragt, Farbe zu bekennen: Im ganz normalen Alltag!

 

Was mache ich, wenn im Freundeskreis jemand sagt: Ich hab ja nichts gegen Ausländer, aber das Niveau an den Schulen hat doch ganz schön gelitten! Eigentlich müsste ich sagen: Das hat viele Gründe. Ich kenne so viele deutsche Kinder, die kaum still sitzen können oder die Rechtschreibung nicht hinbekommen! Und wie viele türkische Kinder sind richtig fit! Was mache ich, wenn sich die Leute in der S-Bahn Schauermärchen erzählen: Von den Pflegerinnen aus dem Osten, die angeblich alle klauen wie die Raben. Eigentlich müsste ich sagen: Ich erlebe das anders. Klar, überall ist Licht und Schatten. Aber meine halbe Nachbarschaft wäre aufgeschmissen ohne Lidia, Bozena, und die vielen anderen, die den Familien helfen bei der Pflege ihrer Angehörigen! Sag ich das in der S-Bahn, bei den Freunden? Mache mich vielleicht unbeliebt?

 

Schon in diesen ganz normalen Situationen kostet das Überwindung: Hingehen, Farbe bekennen. Es kann auch riskant sein: Als meine Tochter zu dieser Demonstration gegen rechte Gewalt gegangen ist, da hab ich mir Sorgen gemacht. Ich dachte, vielleicht gibt es Rangeleien und sie bekommt etwas ab. Ich hätte auch selber Angst vor so etwas. Und da geht es ja noch nicht um wirklichen Widerstand gegen Gewalt.

 

Aber aus Angst nie irgendwo hingehen, nie Farbe bekennen? Es gibt Menschen, die trauen sich. Die sind mir da Vorbilder: Die gehen hin, bekennen Farbe. Ergreifen Partei für die, die Schutz brauchen. Die spornen mich an, mich öfter zu trauen: Selber hinzugehen, Farbe zu bekennen.

 

Für mich hat das auch etwas mit Heiligem Geist zu tun, dieser guten treibenden Kraft Gottes. Nächstes Wochenende, an Pfingsten, geht es genau darum. Diese Kraft, die mir Mut macht, auch mit anderen zusammen, Farbe zu bekennen: Für eine Welt, in der kein Mensch Angst haben muss, egal, wie er aussieht, wo er herkommt oder welche Hautfarbe er hat.

 

Ich glaube: Diesen Mut machenden Geist Gottes kann unsere Welt gut gebrauchen!

Kontakt zur Sendung

Katholische Kirche beim hr
Haus am Dom
Domplatz 3
60311 Frankfurt am Main
Tel.: 069/ 800 87 18-250
Fax: 069/ 800 87 18-229
info@kirche-hr.de