Stephan Born, GEP
Das Wort zum Sonntag: "Besser scheitern"
Pastorin Annette Behnken
15.06.2013 21:55

Guten Abend!

 

Was passiert, wenn ein Mann mit einem Stuhl versucht auf einem Dach zu sitzen? Genau auf der Kante, auf dem Dachfirst. Eine wackelige Angelegenheit. Na klar: Stuhl und Mann geraten aus dem Gleichgewicht und fallen vom Dach.

 

Oder: was passiert, wenn bei  einem wunderbar spielendem Streichquartett aus Cello, Bratsche, zwei Violinen die Musiker die Instrumente tauschen müssen???, Es klingt schrecklich; total schräg.

 

Es ist witzig - zu sehen wie etwas vollkommen schiefläuft. Wie ich gerade in einer Ausstellung in Hamburg gesehen habe. Sie hat den Titel „Besser scheitern“. Das ist ziemlich komisch. Und zugleich ist es schrecklich.

 

Tragisch, weil jeder weiß, wie furchtbar es ist, im echten Leben zu scheitern. Scheitern heißt, ich hab was falsch gemacht. Ich hab mich vertan oder verschätzt. Die Dinge sind nicht so gelaufen, wie ich es mir gewünscht hätte. Ein Absturz von der Achterbahn des Lebens, so nennt es jemand in der Ausstellung. Der Traum vom Leben, so wie es sein sollte, ist ausgeträumt. Das tut weh.

 

Aber eines zeigen die Versuche „Besser zu scheitern“: es passiert etwas Verrücktes. Scheitern so gut wie möglich. Besser scheitern eben. Und diesen Moment so richtig auskosten. Einmal voller Absicht das machen, was wir sonst vermeiden wollen: Scheitern. Niemand scheitert gern und Scheitern ist auch nicht gut angesehen in unserer Gesellschaft. Mehr denn je zählen Leistung und Erfolg. Dagegen ist „Besser scheitern“ ein richtiger Befreiungsschlag. Hier wird das Scheitern geadelt, zur Kunst erhoben. Als sei es etwas ganz Wertvolles, Fehler zu machen.

 

Und?? Beides stimmt ja. Scheitern ist schrecklich. Und zugleich liegt etwas ganz Kostbares darin. Sie wissen es vielleicht: Jesus hat gescheiterte Existenzen um sich herum versammelt. Und ist selbst mit seiner Botschaft gescheitert und getötet worden, am Kreuz. Und dann passiert etwas vollkommen Unerwartetes. Seine Jünger und Jüngerinnen  merken, dass er weiter lebendig ist, ganz anders als vorher. Es fühlt sich an, als ob es in ihren Herzen brennen würde. Es geht etwas weiter. Ganz anders, als sie es erwartet hätten. Nach Jesu Scheitern kommt ein unerwarteter Neuanfang. Die Jünger nennen es „Auferstehung“.

 

Es gibt kein Leben ohne Abstürze. Und doch: es gibt  tatsächlich  viele Menschen, die im Rückblick auf ihr Scheitern sagen können: Das war eigentlich eine Chance. Die sagen: Ich guck jetzt anders aufs Leben. Stelle vieles in Frage. Leistung und Erfolg sind für mich nicht mehr das, was zählt. Jetzt weiß ich erst, wer ich wirklich bin.

 

Es ist ein Fehler, keine Fehler machen zu wollen.

Es ist vielmehr die uralte Botschaft, dass aus einer scheinbaren Niederlage etwas ungeahnt Neues entstehen kann.

 

Ich wünsche Ihnen eine gute Nacht!

Sendeort und Mitwirkende

Norddeutscher Rundfunk

Redaktion: Eberhard Kügler