Foto: Stephan Fritz
Aus der Geschichte der ehemaligen Missionsfarm Ghaub
Von Judith Hellweg

Die Anfänge

Im Jahre 1895 ließen sich die ersten Missionare der Rheinischen Mission in Ghaub nieder. Sie wollten dort eine Missionsstation begründen und gleichzeitig ein Reservat für die damals sowohl von den Buschleuten als auch von den Herero verfolgten und versklavten Bergdama anlegen.

 

Das Gebiet war sehr wasser- und wildreich, zu den Bergen hin war in alten Zeiten ein großer Sumpf, in dem es laut Dr. Heinrich Vedder `viele Elefanten und Moskiten` gab, die sich dort tummelten.

 

Am 30. Januar 1900 kaufte die Rheinische Missionsgesellschaft die damals 9000 Hektar große Farm für 9000 Reichsmark  von der SWACO ( South West Africa Company Ltd.,London).  

                

Da zu dieser Zeit die Deutsche Regierung im Kolonialgebiet an Durchsetzungskraft gewonnen hatte und die Bergdamas die Rechte von freien Menschen erhielten, trat der Reservatsgedanke in den Hintergrund und es wurde beschlossen, den Farmbetrieb auszubauen und auch eine Schule für die dort lebenden Menschen zu errichten.

 

Um Missionar Kremer zu entlasten kam für die Farmerei  1903 der Landwirt Wilhelm Detering aus Deutschland nach Ghaub. Seine erste große Arbeit war es, den Ghauber Sumpf trockenzulegen, das Wasser in einem tiefen Graben aufzufangen um damit Ländereien zu bewässern. Im Laufe der Zeit wurde mit anderen weißen Mitarbeitern ein zweiter Farmbetrieb mit Wohnhaus bei der Wasserstelle Ganachaams und ein dritter an der Quelle Uris eingerichtet.

 

Unruhige Zeiten

1904 brach der Hereroaufstand aus. Alle Bewohner Ghaubs wurden nach Grootfontein evakuiert, wo sie in der Feste wohnen sollten, bis sich die Unruhen gelegt hätten. Doch Missionar Kremer verstarb in dieser Zeit an Schwarzwasserfieber und wurde am 19. April 1904 in Grootfontein beerdigt. Familie Detering und Frau Kremer kehrten wieder zurueck nach Ghaub.

 

Die Arbeit von Missionar Kremer übernahm Missionar Lang, der schon seit 1903 auf der Farm war. Doch 1909 übersiedelte er in ein neu gebautes Haus nach Tsumeb, da auch die Betreuung der Tsumeber Gemeinde zu seinen Aufgaben gehörte. Von da ab war Ghaub eine Filiale von Tsumeb.       

 

1911 kam der berühmte Missionar Dr. Heinrich Vedder nach Ghaub , um dort ein Lehrer- und Evangelistenseminar für Eingeborene, das sog. 'Augustineum', einzurichten, da es der Kirche an Mitarbeitern fehlte.  Der Kurs begann mit 29 Teilnehmern, unterrichtet wurde von Dr. Vedder in Herero und Nama. Es war ein sehr erfolgreiches Projekt! Im April 1914 waren die Abschlussexamen. Vedders  Arbeit auf Ghaub wurde durch den ersten Weltkrieg unterbrochen.

 

Am 4. Juli 1915 fand auf Ghaub ein Gefecht zwischen englischen und deutschen Truppen statt, in dem die Deutschen der feindlichen Übermacht von 4500 Soldaten binnen Kurzem unterlagen und sich zurückzogen. Die blutige Bilanz wies 2 Tote, 2 Schwerverletzte und etliche Gefangene, darunter auch einige Offiziere, auf. Der 1 Weltkrieg endete für Deutsch-Suedwestafrika mit dem Frieden von Khorab, der am 8. Juli 1915 in Khorab bei Otavi geschlossen wurde.

 

Trotz anfänglich anderslautender Pläne der englischen Siegermächte gelang es der Rheinischen Mission – nicht zuletzt mit der Unterstützung der afrikaansen Kirchen – Ghaub zu behalten. Bis Ende des Krieges wurde es allerdings sehr still in Ghaub, da Deutschland keine weiteren Gelder zur Aufrechterhaltung des Schulbetriebs schickte. Die Schule musste geschlossen werden und viele der Anwohner zogen weg. 

 

Die Missionsarbeit auf Ghaub spielte nach dem ersten Weltkrieg nur noch eine untergeordnete Rolle. Dr. Vedder wurde 1919 aus dem Lande ausgewiesen, kam allerdings schon 1922 wieder zurück und errichtete auf Beschluss der Rheinischen Mission ein neues Augustineum in Okahandja. Nach Ghaub kehrte er nicht mehr zurück.

 

Somit rückte in Gaub die Landwirtschaft in den Vordergrund. Bis Anfang der 1960er Jahre wurde die Farm von wechselnden Farmverwaltern bewohnt und bewirtschaftet.

 

Nach der Unabhängigkeit

1990 erlangte Namibia die Unabhängigkeit von seinem Mandatsherrn Südafrika. Damit einhergehend wurde ein Strukturwandel innerhalb der Mission und der schwarzen Kirche eingeleitet. Im Zuge dessen wurde die Farm Ghaub von der Rheinischen Mission an die Evangelical-Lutheran Church in Namibia (ELCIN)  übertragen.  Aufgrund einer Neukonzipierung der Finanzen wurde Ghaub schließlich 1996 in private Hände verkauft.

 

Noch heute spiegelt sich in Ghaub die hundertjährige Missions- und Kirchengeschichte in Namibia wider. Viele Namen der damals für die Mission oder die Farmerei ausgewanderten Deutschen sind heute aus dem gesellschaftlichen Leben im Lande nicht mehr wegzudenken. Sie haben, abgesehen von dem direkten Einsatz für die Kirche, das Land mitgeprägt und es zu dem gemacht, was es heute ist. 

 

Die Besitzverhältnisse an der Farm haben sich zwar geändert, doch dank der Eröffnung der Gästefarm Ghaub ist  diese Geschichte der Öffentlichkeit noch zugänglich, sei es durch die alten Photos, die in den Speisesälen und Zimmern der Gästefarm aufgehängt sind, durch einen Besuch auf dem alten Friedhof, auf dem neben schwarzen und weißen Missionsangestellten auch die gefallenen Mitglieder der Schutztruppe aus dem ersten Weltkrieg bestattet sind, oder auch durch eine Begehung der bereits 1914 entdeckten Ghaubhöhle, die schon früh zum 'National Monument' erklärt worden ist.

 

(Die Autorin Judith Hellweg ist mit Hartmut Hellweg, dem letzten deutschstämmigen Verwalter von Ghaub, verheiratet.)