Das Wort zum Sonntag: "Der Sprache der Gewalt begegnen"
Pastoralreferentin Verena M. Kitz
31.08.2013 22:35

Eigentlich müsste ich hier stehen und schreien wie ein Prophet aus der Bibel: „Hört auf, hört auf mit der Gewalt. Sucht den Frieden!“ Denn das, was da in Syrien passiert ist und weiter passiert, muss aufhören. Der - mutmaßliche - Giftgasanschlag letzte Woche war ja nur der schreckliche Tiefpunkt in all der Gewalt. Hunderttausend Menschen sind bis jetzt gestorben, und die Kämpfe gehen weiter. Und auch wenn über die Art der Reaktion des Westens, Gott sei Dank, weiter diskutiert wird: Ein Militärschlag der USA ist so gut wie sicher.

 

Eigentlich müsste ich schreien: Hört auf mit der Gewalt! Sucht den Frieden! Und doch: Was würde ich denn machen, wenn meine Kinder verletzt, vergiftet, von Bomben zerrissen wären? Unser ganzes Leben zerstört wäre? Trotzdem müsste ich eigentlich schreien: Hört auf mit der Gewalt! Sucht den Frieden! Denn ich weiß und sehe ja überall auf der Welt: Gewalt bringt immer nur neue Gewalt hervor. Eigentlich müsste ich also schreien. Aber ich merke: Irgendwie fehlen mir auch die Worte: Denn was können wir statt der Gewalt wirksam für den Frieden tun?

 

Die Sprache und die Bilder der Gewalt sind allgegenwärtig und beeindruckend in ihrer Macht: „Gezielte Militäroperationen“, „präzise Luftschläge“, heißt das in den Nachrichten.  Dazu die Bilder von imponierenden Kriegsschiffen und Kampfjets. Aber schlagkräftige Worte und starke Bilder für den Weg zum Frieden sind viel schwerer zu finden. Und was mir da einfällt, wirkt erst einmal verletzlich, fast  schwach. Wo sehe ich etwas von einem Friedensprozess? Wie geht ein Dialog, der Waffen zum Schweigen bringen kann? Wer spricht die Sprache, die wirklich Vertrauen bildet? Und welche starken Bilder und Visionen überzeugen vom Weg zum Frieden?

 

Doch dann sind mir Worte eingefallen: „Ich habe einen Traum! “ Mit diesen einfachen Worten hat Martin Luther King vor 50 Jahren die Logik der Gewalt unterbrochen. Damals, als die Gewalt gegen Schwarze in den USA explodierte. Es war der biblische Traum von dem einen Tisch, an dem die Gegner von einst, die Kinder der Sklaven und die Kinder der Sklavenhalter zusammensitzen und Mahl halten.

 

Dieser Traum, diese Worte haben die Logik der Gewalt unterbrochen, auch wenn natürlich längst nicht alles gut ist. Sie zeigen mir: Gewalt ist nicht die einzige Macht, der Gewalt zu begegnen. Es gibt die Macht der Worte, der Bilder, der biblischen Visionen vom Frieden. Natürlich wissen wir auch: Dieser Weg zum Frieden ist mühsam und verletzlich, wer ihn geht, macht sich angreifbar. Aber ich glaube, es gibt keinen anderen Weg, damit die Gewalt irgendwann aufhört.

 

Und es gibt an vielen Orte Menschen, die versuchen, diesen Traum von dem einen Tisch, an dem sich die Gegner begegnen, in die Wirklichkeit umzusetzen: Ganz in der Nähe von Syrien gibt es Friedenscamps. Da leben junge Israelis und Palästinenser für eine Zeit zusammen und lernen sich kennen, reden miteinander. Oder junge Musiker aus Israel und Palästina spielen zusammen im Orchester „West-Östlicher-Divan“ von Daniel Barenboim. Solche wirksamen Worte und Ideen, die die Gewalt beenden und den Frieden suchen, brauchen wir. Dafür sollten die Politiker mindestens ebenso viel Geld aufwenden wie für neue Waffen. 

 

Und ich will, wie so viele andere Menschen, beten: Ich bete für die Menschen in Syrien und die vielen anderen Opfer von Gewalt auf unserer Erde. Und ich bete für Worte und Wege, die uns zum Frieden bringen. Damit wir lernen, mit der Gewalt aufzuhören und den Frieden zu suchen.

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