Das Wort zum Sonntag: "Entscheidung braucht Unterscheidung"
Pastoralreferentin Verena M. Kitz
28.09.2013 22:35

Ich würde ja gerne mal Mäuschen spielen – jetzt bei den Vorgesprächen der Parteien zu möglichen Koalitionen. Jetzt, eine Woche nach der Wahl, steigt der Druck, zu tragfähigen Entscheidungen zu kommen. Aber wie? Das stelle ich mir total schwer vor: Auf der einen Seite dem eigenen Programm treu zu bleiben, auf der anderen Seite auch Kompromisse machen zu müssen. Da wäre ich gerne mal dabei, aber die Gespräche finden ja hinter verschlossenen Türen statt.

 

Die Tür weit aufgemacht sozusagen hat in diesen Tagen Papst Franziskus. In einem ersten langen Interview hat er ganz offen von sich und, wenn man so will, seinem Programm erzählt. Auch davon, wie er versucht, zu tragfähigen Entscheidungen zu kommen. Manches aus dem Interview gab eine richtige Sensation, dabei will er ja eigentlich nur zu dem Beispiel Jesu zurück: Barmherzigkeit vor Moral, mehr Verantwortung für Frauen, Bischöfe als echte Wegbegleiter ihrer Gläubigen, Respekt vor denen, die anders leben, als die katholische Kirche es will. Aber die Wirklichkeit der Kirche, die sieht leider oft ganz anders aus.

 

Deswegen hat der Papst jetzt ein ähnliches Problem wie die Politiker: Mit welchen Entscheidungen kann er seinem Programm treu bleiben aber auch die Skeptiker gewinnen?

 

Der Papst hat in dem Interview sehr persönlich davon erzählt, wie er zu Entscheidungen kommt. Das kann man nicht einfach auf die Politik übertragen. Aber manches vielleicht doch.

 

Ganz wichtig ist dem Papst der Faktor Zeit: Das hat nichts mit Aussitzen zu tun. Sondern: Vor dem Verhandeln müssen Entscheidungen gut vorbereitet werden.

 

Klar, da gibt es viele Sachfragen. Aber dann kommt so etwas wie das Herzstück einer guten Entscheidung, meint der Papst: Der Blick ins eigene Herz. Denn bei einer Entscheidung spielen nie nur die Sachfragen eine Rolle. "Unterscheidung der Geister", heißt das in der Tradition der Kirche. Welche treibenden Kräfte spielen denn noch eine Rolle? Wenn jemand in der Schulpolitik etwas entscheiden soll, dann ist wichtig zu unterscheiden: Ist die Bildung sein Herzensanliegen oder will er sich einfach damit profilieren? Machen die Wähler ihm Druck oder schielt er vielleicht auf einen Posten in dem Bereich? Wer das ehrlich klärt, kann viel eher spüren: Stehe ich mit allem, was mir heilig ist, hinter dieser Entscheidung oder bin ich bereit zu Kompromissen? Wo mache ich vielleicht nur mit, weil andere das von mir wollen?

 

Wer so vorbereitet ist, hat eine gute Basis, um sich dann mit anderen zu beraten. Gemeinsam zu prüfen: Was ist denn auf Dauer und für alle Beteiligten möglichst stimmig? Das bewahrt vor einsamen Entscheidungen, die eben oft nicht tragfähig sind. Das hat auch der Papst in seinen Anfangsjahren als Bischof erst mühsam lernen müssen.

 

In all dem, darauf vertraut der Papst, kann Gottes guter Geist wirken: Da, wo sich jemand Zeit nimmt, die "Geister" gut unterscheidet. Und dann mit anderen zusammen nach einer tragfähigen Entscheidung sucht.

 

Ich wünsche mir solche ehrlichen Entscheidungswege – in meiner katholischen Kirche und auch in der Politik. Damit wir zu wirklich tragfähigen Entscheidungen kommen.

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