Sendung zum Nachlesen
"Wir versuchen nicht ein paar Meter gutzumachen. Wir versuchen, das Spiel zu gewinnen. Weil Leben eben besser ist als sterben."
Dieses ambitionierte Ziel verfolgt die Google-Tochter Calico, die California Life Company. Der Tod soll bezwungen, überwunden oder zumindest hinausgezögert werden. Im Silicon Valley forschen Experten aus aller Welt und aller Fachrichtungen daran, den Tod zu besiegen.
Weil Leben eben besser ist als Sterben. Eine noble Motivation.
Diese Überzeugung treibt schon seit Generationen Menschen dazu an, Leben erträglicher, lebenswerter, schöner zu machen. Penizillin, Antibiotika oder Impfstoffe wären ohne die Lust auf Leben, auf langes, unbeschwertes Leben vermutlich nicht erfunden worden.
Doch Menschen sterben. Der Weg bis zur Unsterblichkeit scheint lang. Und ob das Ziel überhaupt erreicht wird, ist fraglich. Früher hat man gesagt: Ein Mann muss einen Baum pflanzen, ein Haus bauen und ein Kind zeugen. Hinter dem Streben nach Unsterblichkeit steckt der Versuch etwas zu schaffen, was über das eigene Leben hinausgeht; was bleibt, wenn Menschen gehen müssen. Heute sind es die Forscher, die daran arbeiten.
Denn wer will schon in Vergessenheit geraten? Um das nicht zu riskieren, scheint es sicherer, das Heft selbst in die Hand zu nehmen. Oder das Smartphone. Wie schön ist es doch, wenn ich Aufmerksamkeit für das bekomme, was ich schreibe, poste und von mir gebe. Jeder Like verleiht mir dann das Gefühl, bedeutsam zu sein. Etwas zu haben, das über mich hinausgeht. Was im digitalen Gedächtnis erhalten bleibt. Der Wunsch unsterblich zu sein äußert sich nicht nur in den großen Projekten amerikanischer Konzerne, sondern auch in meinem persönlichen Streben nach Aufmerksamkeit.
Die Bibel sieht das Leben und mit ihm den Tod erst einmal recht nüchtern. Der Psalmist im Alten Testament betet:
"Lehre uns bedenken, Gott, dass wir sterben müssen, auf dass wir klug werden." (Ps. 90,12)
Das erinnert daran: es gibt das Leben nicht ohne den Tod. Der Beter behauptet sogar, dass wir Menschen klug werden, wenn wir darum wissen: dass der Tod zum Leben dazugehört. Auch wenn das erstmal nicht sehr lebenslustig klingt, finde ich in diesem Gedanken Entlastung, die mir gut tut. Und zwar jetzt schon, in meinem Leben. Das nämlich ist oft auch anstrengend. Was muss ich nicht alles tun: Abschluss machen, Punkte sammeln, Prüfungen bestehen, Partner finden, Kinder kriegen, Kinder erziehen, erfolgreich sein, gut aussehen, Freunde haben, beliebt sein. Vieles davon mache ich gerne – das Leben ist schön. Und sicher besser als sterben. Aber nicht alles gelingt mir und manchmal ist der Leistungsdruck zu hoch. Und dann soll ich mich auch noch darum kümmern, etwas zu schaffen, das über mich hinaus geht?
"Lehre uns bedenken, dass wir sterben müssen, auf dass wir klug werden."
Klug werden heißt hier nicht dem Druck zu unterliegen, alles schaffen zu wollen. Oder alles schaffen zu müssen. Und paradoxerweise schafft die Erinnerung an den Tod als Grenze des Lebens Freiheit. Die Freiheit nicht alles erleben oder erreichen zu müssen und auch die Freiheit nicht selbst für mein Leben nach dem Tod verantwortlich zu sein.
"Lehre uns bedenken, dass wir sterben müssen, auf dass wir klug werden."
Klug zu werden heißt für mich anzuerkennen, nicht alles selbst in der Hand zu haben. Und schon gar nicht die Unsterblichkeit. Christlich darauf zu hoffen heißt – an die Auferstehung zu glauben. Im Neuen Testament wird der Auferstehungsglaube als etwas gedacht, wo allein Gott handelt. Hier hat er das Heft in der Hand. Der Auferstehungsglaube begegnet meinem Streben, nicht vergessen zu werden. Er begegnet meinem Streben aber mit dem Unterschied, dass Gott der Handelnde ist, nicht ich, der Mensch. Ich muss mir diese Hoffnung nicht erarbeiten oder verdienen. Dieses große Projekt ist längst erfolgreich abgeschlossen. Das tröstet mich, das Leiden und Sterben in dieser Welt ernst zu nehmen. Und gleichzeitig mutig daran zu arbeiten, das Leben mit seinen Grenzen erträglicher zu machen. Es in seiner Fülle zu genießen in der Gewissheit, es gibt noch mehr.