Wort zum Tage
Helles Licht und langer Schatten
18.08.2018 06:20
Sendung zum Nachlesen

Ein Schatten liegt auf seinem Leben. Er hat Großes vollbracht, der Filmemacher Roman Polanski, der heute 85 Jahre alt wird. Den Schatten wird er aber nicht los. Er hatte eine 13-jährige verführt, vielleicht auch mit Gewalt. Da war Polanski vierundvierzig Jahre alt. Seine größte Leistung liegt da noch vor ihm. Hinter ihm liegt schon eine Kindheit in Polen, das jüdische Ghetto in Krakau, der Tod der Mutter in Auschwitz. Polanski überlebt mithilfe katholischer Freunde und vieler kleiner Lügen, wenn er als Jude erkannt wird. Nach den Schrecken der Nationalsozialisten wird er erfolgreich, die Welt lacht über seinen Film „Tanz der Vampire“. Aber dann, 2002, sein größter Erfolg; der Film: „Der Pianist“; eine wahre Geschichte vom hellen Licht in dunkler Zeit.

          Der jüdische Pianist heißt Szpilman. Er lebt in Warschau und ist hoch angesehen. Seine Familie stirbt im Vernichtungslager, Szpilman entgeht dem Abtransport der Juden durch die Hilfe von Freunden. Er wird versteckt. Als das unmöglich wird, irrt er durch die Straßen Warschaus und wird vom deutschen Offizier Wilm Hosenfeld gerettet. Die Kritiker des Films überbieten sich vor Begeisterung, der Film erhält vier Oscars, darunter einen für Polanski. Der darf seinen Preis aber nicht abholen, sonst würde er in den USA verhaftet. Sein früherer Schatten holt ihn ein. Bis heute. Als sei in Riss im Menschen. Es gibt keine Verjährung. Das Mädchen von damals, heute eine verheiratete Frau, hat ihm längst verziehen und bittet um Gnade für Polanski. Nein, sagen die Richter. Das ist nicht möglich. Der Schatten bleibt.

          Ich wage kein Urteil. Mir steht beides vor Augen. Die böse Tat und das große Werk. Und ich weiß, dass es viele Menschen gibt mit einem Riss im Leben. Manchmal fühle ich ihn auch in mir. Wer ist schon rein. Das darf keine Entschuldigung sein, nur ein Hinweis. Dass manchmal eben das eine neben dem anderen steht: die Dunkelheit und das Licht; die große Schuld und die große Leistung. Es gibt dann keine Brücke, keinen Ausgleich. Auch Beschwichtigungen helfen nicht. Es hilft nur eins: Opfer und Täter befehlen wir in Gottes Hände. Er wird es richten.


Es gilt das gesprochene Wort.