Spurensuche
Gestern 20, heute 50, morgen tot
01.02.2020 10:00

 

Das Leben vergeht wie ein Windhauch

Gestern war ich 20, heute bin ich 50 und morgen bin ich tot. Dieser Gedanke durchfährt mich manchmal. Er ist schockierend, aber er stimmt haargenau. Ich erinnere mich an 20, als wäre es gestern gewesen. Und wie mein Leben im Alter aussehen wird, da brauche ich nur meine Mutter anzuschauen. Die Zeit bis dahin wird wie ein Augenblinzeln vergehen. So wie andere vor mir werde ich älter, schwächer, vielleicht krank, auf jeden Fall tot sein. Und nach mir werden es andere ebenso erleben.

Mein Leben – dein Leben – ist ein Hauch, eine Winzigkeit, erst recht im Vergleich zur großen Welt, zum Universum. Der biblische Weisheitslehrer Salomo fasst es so zusammen: "Ein Geschlecht vergeht, das andere kommt; die Erde aber bleibt bestehen. Was man getan hat, eben das tut man hernach wieder, und es geschieht nichts Neues unter der Sonne" (Prediger 1, 3). Sehr illusionslos, sehr nüchtern – und sehr entlastend: Das Leben ist nämlich nicht nur auffallend kurz, es ist auch alles nicht so wahnsinnig wichtig. Wenn ich beispielsweise bei bestimmten Anlässen neben bedeutenden Menschen sitze, überlege ich, ob ich da überhaupt hinpasse. Bin ich gut genug angezogen? Kann ich überhaupt mitreden beim Tischgespräch? Müsste ich nicht … – Stopp! Auch ein bedeutender Mensch ist nur ein Mensch, auch der Bundespräsident muss mal zur Toilette. Und in Unterwäsche sehen wir alle etwa gleich aus. Letztlich kann jeder nur schlafen, essen, glücklich sein. Wir alle werden irgendwann nur noch Staub und Asche sein. Und schon schrumpft mein "Heidenrespekt" auf Normalgröße. Todesbewusstsein fördert mein Selbstbewusstsein.

 

Das dunkle Weltall

Nichts ist eigentlich groß, mächtig, wichtig. Auch nicht das, worüber ich mich ärgere. Alles eine vorübergehende Erscheinung. Warum also aufregen? – Herrlich! Entspannte Gelassenheit macht sich breit. Aber dabei bleibt es nicht.

Manchmal wache ich nachts auf, neben mir schläft mein Herzallerliebster tief und fest. Ich schaue aus dem Fenster ins dunkle Weltall. Was bleibt eigentlich, wenn alles im Grunde nichtig und unwichtig ist? Warum überhaupt leben? Glücklich, unglücklich – egal! Warum mich anstrengen gegen die Klimaentwicklung, gegen schreiende Ungerechtigkeit, gegen Kriege im Großen und Streit im Kleinen? Was bleibt von unserem Glück, von unserem Engagement? Ist das Leben nichts? Dieser Gedanke erschreckt mich.

Wenn ich mir des Nachts in meinem Bett so klein vorkomme, dann bin ich froh, dass ich Gott kenne – wenigstens ein bisschen durch das, was wir aus der Bibel wissen, und durch das, was ich von Gott in meinem Leben erfahren habe. Das Leben, mein Leben, ist von Gott gewollt. Denn allein, dass Gott das Leben, und auch mein Leben, geschaffen hat, zeigt: Es ist ihm – oder ihr – wichtig. Das Leben liegt bei Gott in den besten Händen. Es tut mir gut, mich selbst an diese biblische Zusage zu erinnern: "Gott hat den Himmel geschaffen und die Erde und den Menschen hat er Leben und Atem gegeben. Und nun sagt Gott: Ich fasse dich an der Hand und helfe dir, ich beschütze dich" (Jesaja 42, 6).

Noch immer wache ich nachts auf und denke: Gestern 20, heute 50, morgen tot. Neben Gottes Zusage hilft mir dann auch eine weitere Erkenntnis des biblischen Weisheitslehrers Salomo. Er sagt: "Genieß das Leben mit deinem Mann, den du liebhast, solange du das nichtige Leben hast, das dir Gott unter der Sonne gegeben hat. Und alles, was dir vor die Hände kommt, es zu tun mit deiner Kraft, das tu!" (Prediger 9, 10). Gottesbewusstsein fördert mein Lebensbewusstsein.

Also engagiere ich mich doch, für ein Klima, in dem wir alle leben können, für Frieden, für Gerechtigkeit. Denn auch andere sollen wissen, sie sind wichtig bei Gott. Jeder soll das Leben glücklich leben können. Und dafür muss auch ich etwas tun. Noch lebe ich.