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Oasen der Ruhe
16.07.2022 10:00

Spektakulär

Santorini ist spektakulär. Schon beim Anflug auf die Insel ist der Anblick erhaben. Am Krater eines aktiven Vulkans reihen sich die Dörfer oben an der Hangkante wie die Perlen an einer Schnur auf. Unter einem strahlend blauen und wolkenlosen Himmel kleben weißgetünchte kleine Häuser am Kraterrand. So weit wie nur möglich ziehen sie sich nach unten. Atemberaubend ist das. Dazwischen erstrahlen die leuchtend blauen Kuppeln der vielen kleinen Kirchen. Sie bilden einen großartigen Kontrast zum Weiß der Häuser.

Wo kein Haus der Welt mehr Halt findet, fallen darunter fast senkrecht die Felswände nach unten. Sie schimmern in verschiedensten Rottönen und treffen dann auf das tiefblaue Mittelmeer. Was für ein fantastisches Zusammenspiel von Natur, Licht und Farben! Schöpfung live. Einfach traumhaft.

 

Echtes Leben

Unsere Basis auf der Insel wird ein Ort ganz im Süden. Akrotiri, ein richtiges Dorf. Die Bewohner arbeiten im Weinbau, einige sind Fischer. Natürlich leben viele auch vom Tourismus. Es gibt ein paar Hotels und Pensionen. Doch die meisten Häuser sind bewohnt. Kinder spielen in den Höfen, an den Leinen baumelt Wäsche. Am Dorfplatz gibt es eine kleine Kirche, ein paar Geschäfte und Tavernen. Am Abend kommen die Menschen hier auf einen Plausch zusammen oder trinken Wein. Eng und verwinkelt ziehen sich die Gassen einen steilen Berg hinauf. Oben liegt eine alte Burgruine. Der Aufstieg ist anstrengend, doch er lohnt sich. Der Rundumblick über die Insel und aufs Meer lässt die Mühe vergessen.

Zum Ausklang des Tages enden wir in einer Taverne. Sie liegt an einem kleinen Strand unten am Kraterrand. Wir treffen auf eine freundliche Wirtin, essen frischen Fisch und dann verzückt uns noch ein Bilderbuch-Sonnenuntergang.

 

Traumziel für viele

Um zu sehen, wie beliebt die Insel ist, reicht am nächsten Morgen der Blick aufs Meer. Fünf riesige Kreuzfahrtschiffe liegen vor der Kraterwand vor Anker. Unentwegt pendeln kleine Boote zwischen den Riesenhotels auf dem Wasser und dem kleinen Hafen von Fira hin und her. Ein Landtag für die Passagiere. Ich überschlage: zweitausend, dreitausend, viertausend, fünftausend Menschen – wahrscheinlich noch mehr. Alle haben das gleiche Ziel wie wir. Alle wollen den Hauptort der Insel erkunden.

 

Stop und Go

Wir nehmen den Linienbus. Knapp 25 Minuten die dauert die Fahrt. Auf dem letzten Kilometer geht es nur noch im Stop und Go vorwärts. Der kleine Busbahnhof ist für viel weniger Busse und Menschen geplant. Schon nach wenigen Schritten sind wir im Zentrum. Kleine, malerische Gassen und dazwischen immer wieder der tolle Blick aufs Meer. Trotzdem haben wir nach wenigen hundert Metern das Gefühl erdrückt zu werden. Souvenirladen reiht sich an Souvenirladen, Boutique an Boutique, Restaurant an Restaurant. Dazwischen drängen sich die Menschen. Die meisten folgen im Pulk nach oben gereckten Tafeln mit Nummern. Gruppe folgt auf Gruppe. 

 

Planänderung

Eine offene Kirche ist für uns in diesem Moment der rettende Fluchtpunkt. Es gibt kaum Menschen und es ist ruhig. Eine kühle  Oase. Wir genießen die Stille. Diesen Ort haben wir just in diesem Augenblick gebraucht. Wir halten inne und entscheiden um zu planen. Im Reiseführer entdecken wir einen vielversprechenden Tipp. Ein spektakulärer Wanderweg zieht sich an der Hangkante entlang. 12 Kilometer sind es von Fira bis Oia. Wir überlegen nicht lange. Noch einmal stürzen wir uns in Getümmel und ertragen Gedränge und Geschiebe.

 

Jeder Ausblick ein Traumblick

Die Massen lassen wir mit jedem Schritt immer weiter hinter uns. Nach zwanzig Minuten fühlen wir es auch und atmen durch. Wer hier noch läuft hat den gleichen Plan wie wir.

Bald danach erreichen wir das erste Wegstück ganz ohne Bebauung. Vom Kraterrand trennen uns nur noch Centimeter. So geht es über Stunden. Es geht auf und ab, das Meer immer auf der linken Seite. Immer wieder halten wir kurz an. Jeder Ausblick ist ein Traumblick, einfach nur wunderschön. Wir lassen uns viel Zeit und genießen jeden Schritt, den Wind, die Sonne und die Ruhe. Unterwegs passieren wir kleine Kirchen im Nichts. Schöne Orte für kurze kühle Pausen und Einkehr im Schatten.

Nach dreieinhalb Stunden erreichen wir Oia, unser Ziel. Diesmal sind wir vorgewarnt. Der malerische Ort lebt nicht nur vom Tourismus, er ist Tourismus. Die Escape-Strategie heißt Linienbus zurück nach Akrotiri.

 

Der Kreis schließt sich

Am Abend schließt sich der Kreis des Tages. Wir kennen schon den Weg hinunter zum Strand. Als die Taverne in Sichtweite kommt wissen wir: das ist einer unserer Orte auf der Insel. Die Wirtin winkt uns zu als sie uns wiedererkennt. Statt einen Blick auf die Speisekarte zu werfen vertrauen wir heute ihrer Empfehlung. Und die ist gut. Der Fisch ist fangfrisch und lecker, der Wein kommt aus dem Dorf – und der Blick ist so toll wie am Abend zuvor. Wir haben sie gefunden, unsere Oasen der Ruhe im Traumziel vieler.