Spurensuche
Schatzsuche mit Kind
18.08.2018 10:00

 

Der Tochter macht es Spaß

„Heiraten wollt ihr also.“

Vor mir sitzt ein junges Paar. Ich kenne die beiden schon länger. Die zukünftige Braut bringt ein sechsjähriges Mädchen mit in die Ehe. Der Bräutigam arbeitet berufserfahren als Chirurg.

Vor einigen Wochen baten Sie mich, der Pfarrer bei ihrer Trauung zu sein.

Deshalb sitzen wir jetzt zusammen. Ich möchte mehr von ihnen erfahren. Was bewegt die beiden zu diesem Schritt? Mit welchen Zielen planen sie ihr gemeinsames Leben? Warum überhaupt wollen sie zum Standesamt?

Und was hat die Kirche oder unser christlicher Glaube damit zu tun?

Darauf kamen wir sehr schnell: „Unsere Tochter besucht auch den Religionsunterricht.“ sagt die Mutter. „Wir glauben zwar nicht daran, aber dir macht es doch Spaß - stimmt‘s Schatz?“

Das Kind nickt mit strahlenden Augen.

 

„In der Bibel stehen so verrückte Sachen“

Diese Ehrlichkeit zeugt von ihrem Vertrauen. Aber ich wundere mich auch. Hat sie vergessen, dass vor ihr ein evangelischen Pfarrer sitzt? Woran eigentlich glauben sie nicht?

Die Frage notiere ich mir im Hinterkopf. Zuerst aber müssen wir das übliche Formular ausfüllen: Name, Vorname, geboren, Eltern und so weiter.

Am brennendsten interessieren sich die zukünftigen Eheleute dann für die äußeren  Dinge der Zeremonie.

Wie zieht die Hochzeitsgesellschaft in die Kirche ein? Wo sitzen die Kinder, die Blumen streuen sollen? Brauchen wir ein Kissen, auf das die Ringe gelegt werden.

Für mich aber ist die wichtigste Frage: Wie können wir die kleine Tochter in die Zeremonie mit einbinden? Schließlich wird sie ein Teil dieser neuen Familie sein.

Und da ist wieder der Satz von vorhin: „Wir glauben zwar nicht daran, aber dir macht es doch Spass, stimmt’s Schatz?“

„Ich habe da noch mal eine andere Frage.“ setze ich an. „Du hast vorhin gesagt, dass ihr nicht ‚daran‘ glaubt. Was hast du damit gemeint? An was glaubt ihr nicht?“

Die Justitiarin ist es nicht gewohnt, auf ihren Glauben angesprochen zu werden. Die Antwort kommt zögernd.

„Na was die Kirche sich alles so geleistet hat, im Lauf der Geschichte.“ Jetzt öffnet sie einen Fächer von institutionellen Sünden, die mir auch zuwider sind. Von der Zwangsmissionierung indigener Völker, über die Inquisition, bis hin zum Missbrauch von Minderjährigen in kirchlichen Einrichtungen reicht die Palette.

„Das muss man auch nicht gut finden.“ stimme ich ihr zu, „Die Kirche ist eine menschliche Institution und Menschen machen Fehler. Manchmal sehr gravierende. Aber was hat das mit eurem Glauben zu tun?“

„Eigentlich nichts.“ bekomme ich zur Antwort. „Aber auch in der Bibel stehen so verrückte Sachen. Das Alte Testament ist voll von Krieg und Gewalt und die Rolle der Frau ist auch unterbelichtet.“

 

Der Segen des Friedens

„Und was meint ihr,“ frage ich zurück, „warum die Geschichten - besonders die von Jesus - bis heute weitererzählt werden? Das geht nun schon 2000 Jahre lang.“

Ein Moment der Stille folgt.

„Naja weil sie zeigen, wie Menschen geholfen wird,“ lautet die nachdenkliche Antwort, „oder wie sie wieder Mut bekommen. Oder wie sie neuen Sinn für Ihr Leben finden.“

Jetzt bin ich wieder einigermaßen versöhnt: „Genau, die Bibel soll eine Hilfe zum Leben und für das Zusammenleben von Menschen sein. Sie weiß: wenn Menschen einträchtig miteinander Leben, dann ist das etwas Kostbares - ein Segen. Und genau diesen Segen des Friedens wollen wir in dem Gottesdienst zu eurer Trauung besonders für eure Zukunft als Familie bitten. Deshalb gehe ich mit euch am kommenden Samstag in die Kirche.“