Das Wort zum Sonntag: "Hunger in Ostafrika oder der Irrsinn, in dem wir uns bewegen"
Pfarrerin Adelheid Ruck-Schröder
30.07.2011 21:10

Zwölf Millionen Menschen hungern am Horn von Afrika. Ein paar von ihnen könnten in letzter Minute gerettet werden. Aber selbst die zehn Tonnen Erdnussbutterlösung als Soforthilfe für Kleinkinder wurden im Handumdrehen zum Spielball gewalttätiger Milizen. Das hinterlässt auch bei uns Satten einen bitteren Geschmack. Das Elend in Somalia ist älter als die ausgezehrten Kinder, die uns in den letzten Tagen mit leeren Blicken anstarren. Wir wissen das. Viele von uns haben gespendet. Das ist auch gut so. Es gibt eine Pflicht, Notleidenden umstandslos zu helfen.

Aber es gibt auch eine Pflicht langfristig genau hinzusehen. Wen das Elend wirklich erbarmt, gibt mehr als eine mildtätige Gabe. Er schaut genau hin und fragt nach den Ursachen für diese gigantische Hungerkatastrophe. Ich jedenfalls will mich nicht naiv mit einer Spende beruhigen. Und das geht vielen von uns so. Aber was wir dann sehen, zieht uns so genannte Geberländer selbst hinein in die Tragödie am Horn von Afrika: Mit dem Hunger werden Geschäfte gemacht. Das ist die bittere Wahrheit.

Seit Langem wird der Preis für Getreide an den Börsen hochgetrieben. Einzelne bereichern sich in Ostafrika an Landverkäufen. Im Bürgerkrieg treiben Milizen und Piraten ihr Machtspiel mit den Hilfslieferungen. Und wir selber? Wir leben hier über unsere Verhältnisse und tragen damit zu Klimawandel und Dürren bei.

Die sterbenden Kinder in Somalia sind nur ein Teil eines viel größeren Problems. Es geht um die Verteilung von Reichtum weltweit. Das ist der Irrsinn, in dem wir uns bewegen: Unser gesamtes wirtschaftliches Handeln zielt eben nicht auf Gerechtigkeit, sondern lässt der Profitgier freien Lauf. Wenn es dann allzu arg kommt, biegen wir mit Soforthilfe das schlimmste Elend ab.

Wer das durchschaut, resigniert leicht. Aber das will ich nicht. Und viele von uns wollen das nicht. Mir hilft nur eins: Gegenbeispiele zu suchen. Schon in der Bibel sind sie zu finden. Ich denke an die Geschichte von Abraham und Lot. Sie stritten jahrelang um Brunnen und Weideland. Schließlich haben sie einen Vertrag ausgehandelt und ihr Land gerecht aufgeteilt. Das ist eine ganz nüchterne biblische Botschaft: Menschen müssen fähig werden, eigene, gerechte Lösungen für ihre Verteilungskämpfe vor Ort zu finden – ohne Einmischung von außen. Das gilt auch heute für Ostafrika.

Was mich bei uns ermutigt ist der "Faire Handel". Auch er greift biblische Impulse auf. Auf dem Weltmarkt bietet er Landwirten gerechte Preise und fordert sie umgekehrt auch von uns Konsumenten. Ich weiß: Der faire Handel macht nur einen kleinen Prozentsatz am Weltmarkt aus. Aber immerhin. Er hilft jedem von uns etwas beizutragen zu einer anderen Wirtschaftsordnung. Jeder kann bewusst diese fair gehandelten Produkte kaufen.

Womöglich ist das die Schlussfolgerung, die wir hier im satten Westen angesichts der Hungerkatastrophe am Horn von Afrika ziehen müssen: Es genügt nicht, im Katastrophenfall nur von unserem Überfluss abzugeben. Wir müssen noch viel sensibler werden für die Folgen unseres Wirtschaftens.

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