"In der Bibelgeschichte des Palmsonntags übermittelt eine Eselin eine entscheidende Botschaft: In einer Welt voller "Likes" und lauter Meinungen erinnert sie uns an kluges Abwägen, bewusste Entscheidungen und den Mut, dem eigenen moralischen Kompass zu folgen. Was wir von ihrem bedachten Schritt über wahre Stärke und mutige Entschlossenheit lernen könnten, überlegt die Theologin Magdalena Kiess im aktuellen Wort zum Sonntag in der ARD."
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Guten Abend.
In Süddeutschland gibt es diese schöne Tradition: Die Person, die am Palmsonntag am längsten schläft, ist der Palmesel. Ich hab früher oft gewonnen ;)
Ein heiterer Moment zu Beginn der ernsten Karwoche. Und ein Scherz, der dazu passt, dass Esel ja gerne Mal belächelt werden.
In der Geschichte des Palmsonntags spielt ein ESEL eine BEKANNTE, aber wenig beachtete Rolle. Jesus reitet auf einer Eselstute nach Jerusalem ein - wo er mit seinen Freundinnen und Freunden das Pessachfest feiert, bevor er verraten und gekreuzigt wird.
Warum ausgerechnet eine Eselin? Ok, Jesus erfüllt damit eine prophetische Weissagung des Alten Testaments. Und er setzt ein Zeichen: Er kommt nicht als mächtiger König auf einem Kriegspferd daher, sondern auf dem Tier der EINFACHEN Leute. Ich bin einer von euch, sagt er damit – einleuchtend.
Aber da muss noch mehr sein: Esel scheinen es Jesus ja irgendwie angetan zu haben. Einer begleitet ihn nicht nur am ENDE seines Lebens, sondern auch an dessen Beginn: VOR seiner Geburt trägt ein Esel die hochschwangere Maria nach Betlehem. Von der Krippe bis zum Kreuz ist der Esel dabei. Ein schönes Symbol: Gott wählt nicht Prunk und Prestige, sondern Einfachheit und Demut.
Eine wichtige Erinnerung! Denn oft übersehen wir das Unscheinbare und Bescheidene. Oft belächeln wir das Langsame und Ruhige. Und schnell kann man sich selbst wie der Esel unter den Pferden fühlen: auf einer Party, wo alle glänzen – und man selbst ist unsicher; oder im Beruf, wenn es bei anderen mühelos läuft und man selbst scheinbar nur die Lasten trägt. [Was kann ich schon beitragen? Was zählt meine Stimme?] Der Palmsonntag zeigt: Gott sieht das Unscheinbare und er baut sogar darauf. Er wählt die Eselin - aus gutem Grund.
Denn so ein Esel hat viele Stärken: Was oberflächlich als "Sturheit" abgetan wird, ist in Wahrheit unterscheidende Klugheit. Wenn ein Weg sicher ist, geht en Esel mutig und ausdauernd voran. Wenn nicht, dann nicht. :)
Jesus - verkörperte DIESELBE Weisheit der Unterscheidung. Er sagte "JA" zu seinem Auftrag und entschieden "Nein" zu erstarrten religiösen Vorschriften. Er brachte eine Revolution – aber durch WERTE.
Johannes Rogge
Senderbeauftragter für Das Wort zum Sonntag für den rbb
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