Gemeinsam essen. keine Unterschiede zwischen den Menschen. Ob arm oder reich, anerkannt oder verachtet, sesshaft oder auf der Flucht. Über den Segen der christlichen Tischgemeinschaft spricht Pastorin Annette Behnken im Wort zum Sonntag vom evangelischen Kirchentag in ihrer Heimatstadt Hannover.
Samstags nach 17 Uhr können Sie an dieser Stelle den Sendetext nachlesen.
Das hier, dieses Zelt, das ist für mich ne Insel. Es ist wirklich ne Insel der Hoffnung.
Guten Abend vom evangelischen Kirchentag in Hannover
Hunderttausend Menschen besuchen die Stadt, meine Heimatstadt. Und Hannover vibriert, an allen Ecken gibt es Konzerte, wird diskutiert, getanzt, gebetet, nachgedacht – und auch: zusammen gegessen, getrunken und gefeiert. Wie hier, heute Abend in diesem Zelt.
Das steht vor dem Hauptbahnhof, ganz nah der Innenstadt – und was einfach ganz, ganz klasse ist: Hier kommen wirklich alle zusammen: wer zufällig vorbeigeht und einfach mal reingucken will – aber eben auch die, die genau hier leben: im Bahnhof, in der Fußgängerzone, auf der Straße. Wohnungslose und Menschen, die nichts oder nur sehr, sehr wenig zum Leben haben. Während des gesamten Kirchentags gibt’s hier kostenlos Mahlzeiten für alle, Kultur für alle und auch Beratung für Menschen in schwierigen Lebenslagen. Status, Herkunft, Religion, was auch immer - egal. Und genau so solls doch sein und eben nicht nur als ne Vision. Das hier ist Hoffnung und Nächstenliebe, nicht nur als Gedanke, sondern konkret, fühlbar (– und eben gerade sogar schmeckbar, in einem ganz besonderen Moment, als wir alle Brot und Traubensaft miteineinander geteilt haben in einem "Feierabendmahl". Und jetzt gehts noch weiter mit nem normalen Abendessen. So schmeckt Hoffnung.) Hoffnung, die die Menschen brauchen, die unter ganz, ganz schwierigen Bedingungen leben. Aber die wir auch alle bitter nötig haben. Ich habe manchmal so Angst, dass wir auf der Langstrecke dieser so anspruchsvollen Zeit hoffnungslos werden und damit auch mutlos und tatenlos. Und darum sind Orte, wie dieser hier so wirklich überlebenswichtig.
Was hier passiert ist was ganz und gar Urchristliches. Jesus selbst hat genau wie hier heute Abend Menschen zum Essen eingeladen, aus der Mitte und von den Rändern der Gesellschaft. Und genau da - da schlägt das Herz des Christentums: mittendrin und an den Rändern und Grenzen, den Rändern der Gesellschaft, den Grenzen des Lebens - Leben, das sich in so unterschiedlicher Weise ausdrückt, ob verletzt, obdachlos, verrückt, schrill oder still, kreuz und queer – als Christ:innen, als Kirche sind wir Grenzgänger. Jesus war Grenzgänger und Freigeist. Und hat sein Herz an genau die Orte getragen, an denen Viele von uns möglichst vorbeigucken. War mit Menschen zusammen, denen Viele von uns möglichst aus dem Weg gehen. Weil sie uns verstören oder unangenehm sind. Und genau da, da blickt Gott uns an. Das ist Kern des christlichen Glaubens.
Solche Inseln der Hoffnung haben wir alle bitter nötig. Radikale Hoffnung haben wir bitter nötig. Denn die macht uns widerständig, den Kräften zum Trotz, die Hoffnungslosigkeit ausnutzen, um ihre menschen- und lebensfeindlichen Gedanken an den Start zu bringen. Hier sehen wir, wie es gehen kann. Was für eine Kraft und Zukunftskraft darin steckt, wenn wir uns zusammentun und einfach machen, das machen, was es braucht.
Vier Tage ging es hier in Hannover mit dem Kirchentag um viel. Um das, was wir brauchen, um mutig, stark und beherzt die Welt zu gestalten. Radikale Hoffnung. Die wird ausstrahlen, ganz weit, ganz ganz weit und wird ganz viele anstecken.
Gute Nacht!