Das Wort zum Sonntag: "Dinge, die zu groß sind"
Pfarrer Ulrich Haag
29.10.2011 22:25

Es gibt Dinge, die sind von Menschen gemacht. Doch irgendwann geraten sie ihm außer Kontrolle. Werden zu kompliziert und in ihren Auswirkungen unübersehbar. Ich rede von der Wirtschaftskrise.

Mitte dieser Woche hat der Krisengipfel in Brüssel Entscheidungen getroffen, die dem Spuk endgültig ein Ende bereiten sollen. War es das jetzt wirklich? Zumindest reicht es für ein paar Tage Atempause. In den Tagesthemen ist wieder Platz für die gewohnten Meldungen. Die von den Naturkatastrophen und Kriegen sind bestürzend genug. Trotzdem: Aufhorchen tue ich, wenn die Nachrichten von Rettungsschirm und Schuldenkrise sprechen.

Ich werde einfach das Gefühl nicht los, dass der große Knall noch bevor steht. Es gibt Dinge, die sind vom Menschen gemacht, doch irgendwann kehrt sich das Verhältnis um. Dann machen sie etwas mit dem Menschen. Sie holen ihn ein und gewinnen Macht über ihn.

Ich möchte nicht, dass das, was da kommt, Macht über mich gewinnt. Ich möchte mich in Sicherheit bringen und überlege fieberhaft, wie ich die paar Euro, die ich für meine Kinder angespart habe, so anlege, dass sie mir nicht zwischen den Fingern zerrinnen. Ich suche nach der Nische, in der das Ersparte die Krise ohne Verlust übersteht. Andererseits gehört mein Geld nicht in die Hände derer, die daraus möglichst viel Profit schlagen. Gerade jetzt nicht. Weil das immer bedeutet, dass auf der anderen Seite Verlierer stehen. Menschen, die noch ärmer werden.

Vollends verwerflich ist es, mit dem Hunger ein Geschäft zu machen. Wie bei der Spekulation auf Getreidepreise. Da vertraue ich meine Ersparnisse lieber denen an, die auf beiden Seiten Gewinn schaffen. Einer Bank zum Beispiel, die mein Geld als Kleinkredit an eine Bauernfamilie in Tansania weitergibt. Kann sein, die Rendite ist nicht allzu hoch. Doch trägt mein Geld wenigstens dazu bei, dass irgendwo auf diesem Erdball eine Familie ihr Auskommen hat. Das – rentiert sich auch. Und es macht mich zufrieden.

Auskommen ermöglichen und Ausgleich schaffen … Das wünsche ich mir – auch von denen, die sich dieser Tage in Berlin und Brüssel abmühen. Worüber immer sie entscheiden müssen, bitte achten Sie darauf, dass die Schere zwischen Arm und Reich nicht weiter auseinandergeht. Es wäre unerträglich, wenn die, die mit großem Geld besonders trickreiche Finanzjongleure bezahlen können, ungeschoren davonkommen.

Ebenso unerträglich wäre es, wenn die, die von Hartz IV leben, dann endgültig ins finanzielle Aus gedrängt werden. Wir sind bereit, Einschnitte hinzunehmen. Doch bitte verteilen Sie die Lasten gerecht, ziehen Sie jeden nach seinem Vermögen heran, ohne Ansehen der Person.

Es gibt Dinge, die sind von Menschen gemacht und manche werden tatsächlich irgendwann zu groß für ihn. Werden übermächtig. Viel zu lange haben wir unser Lebensgefühl davon abhängig gemacht, wie sich die Zahlen auf unseren Konten und Bilanzen entwickeln.

Mitunter haben wir vergessen, dass wir unser Leben tatsächlich einem anderen verdanken. Dem, der uns auf ganz ungewohnte Weise reich machen will. Glücklich werden wir nicht durch das, was wir für uns behalten. Glücklich werden wir durch das, was wir weitergeben.

Ihnen allen eine gute Nacht und einen gesegneten Sonntag ...

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(WDR)
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Redaktion: Martin Blachmann (WDR)