Das Wort zum Sonntag: "Den November neu entdecken"
Pastoralreferentin Verena M. Kitz
05.11.2011 22:10

"Also – ich mag den November!" Mit diesem Satz hat mich vor ein paar Tagen ein Kollege ziemlich überrascht. Ehrlich – Ich mag den November eigentlich nicht so besonders! Ich stehe morgens immer sehr früh auf – und wenn es dann stockdunkel ist und neblig und kalt, dann macht mir das keinen Spaß. Und dann sind da auch die Gedenktage für die Verstorbenen – auch die geben dem Monat etwas Schweres. Und dann sagt dieser Kollege so einfach: Ich mag den November!

Ich hab ihn wohl ziemlich erstaunt angeschaut. Denn er hat dann gleich gesagt: "Ja, ich mag den November! Da habe ich nämlich tatsächlich mal ein bisschen Zeit! Im Oktober hab ich die ganze Zeit im Garten geackert nach der Arbeit. Und im Dezember, na ja, da ist wieder der volle Adventsstres! Jetzt trinke ich auch mal gemütlich eine Tasse Tee. Oder ich sitze abends mal ganz ohne schlechtes Gewissen vor den Fernseher oder lese etwas."

Als ich das so gehört habe, hat es bei mir richtig "klick" gemacht: Guck an! Man muss gar nicht in dieses Novemberloch fallen. Der November hat tatsächlich auch etwas zu bieten. Halt anderes als – meinetwegen – der Mai! Wenn ich jetzt rausgucke: Der Ahorn vor meiner Tür – der zeigt sich noch mal von seiner schönsten Seite: Das ganze Farbspektrum von Gold bis Burgunderrot, oft sogar auf einem Blatt. Großes Finale – und dann lässt er das alles fallen – und macht Pause! Viele andere Pflanzen auch, manche ziehen sich sogar ganz unter die Erde zurück! Beneidenswert! Einfach mal alles fallen lassen! Gut, das kann ich nicht. Ich will auch keinen Winterschlaf halten! Aber ein bisschen was von dieser Ruhe genießen – das kann ich schon!

Ich will noch mal in Ruhe die Photos von den Sommerferien anschauen. Noch mal die Weite und die Freiheit am Meer spüren! Mir was von dieser Gelassenheit zurückholen: Wie wir vergnügt im strömenden Regen herumspaziert sind. Und dann werde ich mir endlich in Ruhe die CD von der h-moll-Messe von Johann Sebastian Bach anhören: Ich habe sie im Sommer zum Geburtstag geschenkt bekommen! Wenn ich Bach höre, dann ist das wirklich so ein Aufatmen, dann fühle ich mich getröstet.

Denn natürlich ist der November nicht nur eitel Sonnenschein - auch die ruhigen Momente nicht. Wenn ich nicht so abgelenkt bin, denke ich, gerade im November, eben auch viel mehr an die Menschen, die dieses Jahr gestorben sind: Spüre, wie ich sie vermisse. Das macht mich traurig.

Aber ich bin trotzdem froh um diese ruhigen Momente. Da darf ich mal traurig sein, da muss ich mich nicht sofort wieder zusammenreißen. Da kann ich mich erinnern, auch mal zu weinen: Was haben wir alles zusammen erlebt! Wie haben wir gelacht oder auch mal gestritten! Ich merke: Es ist auch manches ungeklärt geblieben, aber ich spüre auch, wofür ich dankbar bin. In solchen ruhigen Momenten ahne ich: Die Toten sind nicht einfach weg. Ich glaube und hoffe: Sie sind gut aufgehoben bei Gott. Gott hält uns in Verbindung.

Morgen will ich zum Grab meiner lieben alten Freundin fahren. Da ist eine Andacht auf dem Friedhof. Ich möchte ein Licht anzünden, beten für die die Toten und für uns Lebende. Und neu hinhören, was die Bibel auch mir verspricht: Der Tod ist nicht das Ende, Gottes Liebe ist stärker als der Tod

Ob ich jetzt sagen würde: Ich mag den November? Das vielleicht nicht, aber ich bin ihm dankbar. Dankbar für die ruhigen Momente, die er mir anbietet! Ich wünsche Ihnen, dass Sie die Ruhe im November auf Ihre Weise entdecken und nutzen können – und einen gesegneten Sonntag!

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