Das Wort zum Sonntag: "Totensonntag"
Pfarrerin Adelheid Ruck-Schröder
19.11.2011 22:10

Totensonntag

 

Für mich war er eine Seele von Mensch. Humorvoll, lebenslustig, offen. Als er vor zehn Jahren starb, war er ganz und gar nicht alt und lebenssatt. Mein Schwiegervater hatte noch Fragen und Ziele. Aber alles das wurde durch seinen Tod unterbrochen.

Als ich damals an seinem Grab stand, erfüllte mich eine Frage. Die hat mich seither nie wieder losgelassen: Wo ist das geblieben, was diesen Menschen in seinem Innersten ausgemacht hat? Seine Identität, also seine Einmaligkeit, seine Erfahrung, all das, was sich in seinen 63 Lebensjahren entwickelt hat, die Impulse, die er gegeben hat, seine Ziele, sein Streben, sein Glauben, aber auch seine offen gebliebenen Fragen und seine Zweifel? All das, was ihn beseelt hat – das kann doch nicht einfach weg sein! Aber wo bleibt das, wenn einer stirbt?

Viele sagen ja: Ein Mensch stirbt mit Leib und Seele. Da bleibt nichts übrig. Ich habe da meine Zweifel. Mir geht das zu schnell. Da werden mir zu schnell die Brücken abgerissen. Die brauche ich aber, um etwas von den letzten Dingen zu ahnen, die nach dem Tod kommen. Ich möchte wissen, wo ich bleibe.

Ich gebe zu: Es ist schwer darüber zu reden. Die letzten Dinge sind ein Grenzgebiet. Ich kann mich nur vortasten. Aber das wenigstens will ich mich trauen.

Ich weiß auch: Gehirn und Gene sterben. Aber ich glaube: In uns ist etwas, was bleibt. Es ist das, was uns beseelt. Das wird bleiben. Früher haben Menschen mehr von der Seele gesprochen. Sie ist ein wenig in Vergessenheit geraten. Weil sie so schwer greifbar ist und doch das meint, was uns erst zu einem Menschen macht.

Ich glaube, das hat mit Gott zu tun: Was mich beseelt, ist der Atem Gottes. Und der lässt sich nicht aushauchen, auch nicht mit unserem letzten Atemzug.

Das habe ich nie so stark empfunden wie damals am Grab meines Schwiegervaters: Da ist mehr als Vergehen. Da ist eine Energie und Kraft, die unsere Biographie weit übersteigt. Die noch etwas mit uns vorhat. Und sei es, unser Leben zu würdigen und weiter daran zu arbeiten. Das kann nur Gott.

Jetzt habe ich mich weit vorgewagt.
Eins kann ich ganz gewiss sagen: Dieser Glaube motiviert mich schon jetzt. Er lässt mich schon jetzt größer denken, über mich hinaus denken, freier werden.

Unsere Toten wissen mehr darüber. Sie sind uns vorausgegangen. Morgen am Totensonntag oder auch Ewigkeitssonntag erinnern wir an ihre Namen. In vielen Kirchen werden die Toten des letzten Jahres verlesen. Das ist ein schöner Brauch. Er lebt von der Überzeugung, dass es einen gibt, der uns und unsere Toten mit Atem beseelt hat, der sie bewahrt, der niemals zerstört werden kann, auch nicht durch den Tod.

Das zu wissen, tut meiner Seele gut.

Sendeort und Mitwirkende

Ev. Rundfunkreferat Saar

Pfarrer Hermann Preßler

Talstraße 44

66111 Saarbrücken

 

Tel.: 0681-65792

Email: pressler@rundfunkreferat-saar.de

 

Evangelische und Katholische Rundfunkarbeit beim Saarländischen Rundunk