Das Wort zum Sonntag: "Auflösung und Halt"
Pfarrerin Adelheid Ruck-Schröder
03.03.2012 21:50

Letzte Woche bin ich umgezogen – und ehrlich gesagt: Ich fühle ich mich noch etwas aufgelöst. Vielleicht kennen Sie das: Wenn das ganze Hab und Gut, all die Sachen, die man im Lauf der Jahre so ansammelt, in Kisten verpackt ist. Da gibt es den Moment, in dem restlos alles, selbst das eigene Bett, in einem Umzugslaster verschwindet und die Möbelpacker losfahren.

Das war schon ein komisches Gefühl, ein Gefühl der Schwebe, wie wir da vor dem leer geräumten Haus standen. Unser alter Hausstand war erst einmal aufgelöst. Gut: Die Möbelpacker haben den Transport im Griff, da war ich ganz zuversichtlich. Aber innerlich fühlte ich mich doch aufgelöst, irgendwie in der Schwebe. Das ist ein verrückter Zustand. Das verunsichert ganz schön. Denn nicht nur Sachen werden "ver-rückt".

Der Alltag wird sich verändern, Beziehungen werden sich verändern. Ob das gut geht? Diesem bangen Gefühl konnte ich in dem Moment nicht entrinnen. Und ich denke, das geht nicht wenigen Menschen so: Wenn die Rahmenbedingungen des Lebens "ver-rückt" werden, durch unterschiedliche Erfahrungen, freiwillige und unfreiwillige, sei's wie bei mir durch Umzug, sei's durch Trennung oder durch den Verlust einer Person, oder auch einfach durchs Altwerden, dann brechen Fragen auf, die viel tiefer gehen als organisatorische Fragen, wie die äußere Ordnung wieder hergestellt werden kann.

Ich habe mich während des Umzugs viel intensiver als sonst gefragt: Was gibt mir eigentlich Halt, wenn das Gewohnte durcheinander kommt und sich auflöst, wenn nicht mehr alles in den bekannten Bahnen weiterläuft? Eigentlich schade, dass solche Fragen so schnell wieder untergehen. Sobald die Sachen wieder einigermaßen unter Dach und Fach sind, sobald ein Schwebezustand äußerlich wieder im Griff ist, Organisatorisches erledigt ist, bricht ja blitzschnell der neue Alltag herein.

Ich habe diesen Zustand der Schwebe, ja der bangen Frage aber auch als positiv erlebt. Weil er mich achtsamer gemacht hat. Ich habe nämlich selten so klar gespürt, was mir Halt gibt und mich vor der Auflösung bewahrt: Das sind Menschen – meine Familie zum Beispiel. Aber auch andere Menschen gehören dazu: Menschen am alten Ort, die mich begleitet haben, und natürlich Menschen am neuen Ort, die offen und wertschätzend auf mich zukommen.

Und ich habe auch gespürt, dass das etwas Unverfügbares ist. Menschen kann man ja nicht einpacken, auspacken und unter Dach und Fach bringen, wie es einem gefällt. Auf Begegnungen mit Menschen sind wir immer wieder angewiesen. Ich glaube, dass uns an verschiedenen Orten immer wieder Menschen geschickt werden, die uns Halt geben können, die uns gute Impulse geben, denen wir aber auch selbst etwas weitergeben können.

Für mich sind solche guten Begegnungen nicht nur Zufall. Für einen, der in der Schwebe ist, sind sie ein Geschenk des Himmels.

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