Das Wort zum Sonntag: "Erzähl mir von deinem Glauben!"
Pastor Gereon Alter
17.03.2012 21:25

"Erzähl mir von deinem Glauben!" – Es ist schon eine ganze Weile her, aber ich erinner mich noch genau: Es war eine junge Amerikanerin, die das zu mir gesagt hat. Wir kannten uns noch gar nicht lange. Da stand auf einmal dieser Satz im Raum: "Erzähl mir von deinem Glauben!"

 

Ähm ... wie sie das denn meine, habe ich sie gefragt. "Na, ob du Christ bist, oder Jude oder Muslim oder ob du an sonst etwas glaubst." Ich stand immer noch etwas ratlos da. Ich war es einfach nicht gewohnt, so auf meinen Glauben angesprochen zu werden. In Deutschland hatte mich das noch niemand gefragt. Damals habe ich gedacht: "Die muss doch von irgendeiner Sekte kommen. Was will die von mir?"

 

Heute, nachdem ich schon einige Male in den USA war und gute Freunde dort habe, weiß ich, dass die Amerikaner tatsächlich viel unbefangener über ihren Glauben sprechen als wir. Sie erzählen davon genauso, wie sie von ihrem Partner, ihrem Beruf oder ihren Hobbies erzählen. Und das hat gar nichts Aufgesetztes oder Peinliches. Ganz nach dem Motto: "Der Glaube gehört zu meinem Leben, also kann ich doch davon erzählen."

 

Mittlerweile denke ich sogar, dass wir in dieser Hinsicht etwas von den Amerikanern lernen können. Wir sprechen ohne Ende über "den" Papst, "die" Kirche, "die" Muslime ... Aber was mir der Glaube persönlich bedeutet, warum ich Christ oder Muslim bin, oder auch warum ich nicht glauben will oder kann: davon hört man so gut wie gar nichts. Dabei wäre doch gerade das einmal interessant zu hören – jenseits aller Klischees über Glaubende und Nichtglaubende.

Ich habe es gewagt, dazu einzuladen. In meiner Kirchengemeinde. Ich habe die Leute gefragt: "Warum bist du eigentlich Christ? Komm, und erzähl doch mal davon." – Nein, es sind keine Heerscharen meiner Einladung gefolgt. Aber immerhin: An einem Abend sind 40 Menschen zusammen gekommen und haben sich über ihren Glauben ausgetauscht. Und siehe da: Es geht! Wir können es! Auch wir Deutschen können über unseren Glauben sprechen. Und es tat richtig gut, einander zuzuhören.

 

"Glauben, das ist mir mit in die Wiege gelegt worden", hat einer gesagt. "Ich komme aus einem kleinen Dorf, da ist jeder sonntags zur Kirche gegangen. Aber irgendwann war das vorbei, und ich musste mich selber entscheiden ..." – Ein anderer erzählt, dass er erst durch eine tiefe Krise zum Glauben gekommen ist. Seine Ehe ist in die Brüche gegangen, und er musste wieder ganz neu schauen, wo er denn mit seinem Leben hin will ... – Eine alte Frau erzählt von ihren Kriegserlebnissen und von der tiefen Solidarität, die sie damals erfahren hat, auch im Gebet. Diese Erinnerung gebe ihr heute noch Kraft. – Eine junge Frau erzählt von der kleinbürgerlichen Enge ihres Elternhauses und wie gut es ihr tut, zu einer weltweiten Gemeinschaft zu gehören und selbst in fernen Ländern auf Menschen zu treffen, die ähnlich denken und fühlen wie sie.

 

Wie hört sich Ihre Geschichte an? Und warum erzählen Sie nicht mal davon? Ihren Kindern oder Enkeln, Ihrem Partner oder Ihrer Freundin? Zum Beispiel morgen beim Frühstück. Eine kleine Frage reicht als Anstoß: "Wie ist das eigentlich bei dir?"

 

Ich glaube, es könnte eine ganz neue Lebendigkeit und Echtheit in unsere Gesellschaft bringen, wenn wir mehr von dem erzählen, was uns im Innersten hält und trägt.

 

Ich wünsche Ihnen einen gesegneten Sonntag. Bis nächste Woche!

Sendeort und Mitwirkende

Martin Blachmann (WDR)