Das Wort zum Sonntag: "Authentisch werden"
Pastoralreferentin Verena M. Kitz
31.03.2012 22:10

Authentisch sein – das Wort ist mittlerweile ganz schön abgegriffen! Aber viele verbinden damit einen hohen Wert: Wer authentisch ist, bei dem stimmen innen und außen, reden und handeln überein. Der ist echt. So jemandem kann man vertrauen.

Das wünscht man sich natürlich besonders von den Leuten, die bei uns Verantwortung übernehmen: In der Politik, der Wirtschaft oder auch den Kirchen. Wenn es dann jemand mit der Wahrheit, der Ehrlichkeit oder so etwas wie dem Anstand nicht so genau nimmt, ist die Empörung groß. Zu Recht, finde ich. Gleichzeitig ist klar: Wenn ich mit dem Finger auf jemanden zeige, weisen die anderen Finger auf mich selbst zurück! Die Größenordnungen sind anders, aber: Wer hat sich nicht schon mal verleugnen lassen, wenn die Tante anruft, die immer so viel redet? Wer muckst sich, wenn die Kassiererin den Liter Milch zuwenig eingetippt hat? Es ist schon im Kleinen verflixt schwer, wirklich authentisch zu sein. Was hilft dabei, authentisch zu sein? Sich, egal was passiert, an die eigenen Prinzipien und Werte zu halten?

Wie ein Lehrstück dafür ist für mich die kommende Karwoche. Wir Christen erinnern uns da an die letzten Tage des Jesus von Nazareth. So viele Menschen haben ihm vertraut: Konnte er authentisch bleiben in den Höhen und Tiefen dieser Woche? Die gab es nämlich beide: Am Palmsonntag haben die Leute in Jerusalem Jesus wie einen König empfangen: Palmzweige geschwenkt und Hosianna gerufen. Keine fünf Tage später steht er als Aufrührer und Gotteslästerer vor Gericht, wird zum Tod verurteilt: Ans Kreuz mit ihm, brüllt die Menge.

In beidem bleibt Jesus authentisch: Er will den Menschen Gottes Liebe weitergeben, eine Liebe, die stärker ist als jede Macht auf Erden. Deswegen will er nicht den mächtigen Boss geben, wie es die Leute am Palmsonntag von ihm wollen. Und umgekehrt kann selbst das Todesurteil am Karfreitag ihn nicht von seinem Vertrauen auf Gott abbringen. Auch Jesus musste um dieses Vertrauen ringen: Die Bibel erzählt: Er hat Angst gehabt, hat Gott angefleht: Lass diesen Kelch an mir vorüber gehen. Und ist dann doch aus freiem Willen weitergegangen – bis zum Kreuz.

Wie hat er das geschafft? In all dem authentisch zu bleiben? Natürlich kann ich nicht in Jesus hineinschauen. Aber die Bibel erzählt immer wieder: Wenn es hoch her ging um Jesus, hat er sich zurückgezogen, gebetet. Ich denke mir: Er hat Gott sein Herz ausgeschüttet, erzählt, was ihn bedrängt. Und hat dann gespürt: Bei Gott gibt es Halt, der hilft ihm, seinen eigenen Standpunkt zu finden und authentisch zu bleiben, selbst wenn es um Leben und Tod geht.

Ich bin nicht Jesus – und oft genug gelingt mir das nicht mit dem Authentisch-Sein. Aber ich will dranbleiben, klarer werden und zu dem stehen, woran mir liegt. Mir hilft dabei, wenn ich mir abends noch mal für ein paar Minuten Zeit nehme: Ich schau meinen Tag mit Gott an: Was war los, was hat mich aus der Spur gebracht? Aber auch: Wo hab ich zu dem gestanden, was mir wichtig ist? Und ich bitte Gott darum: Hilf mir, das morgen wieder zu versuchen, zeig mir, worauf es ankommt!

Vielleicht nehmen Sie die Karwoche zum Anlass, das auf Ihre Weise auszuprobieren:  Abends den Tag noch mal anzugucken: Hab ich heute so gelebt, wie ich es will? Und was brauche ich, damit ich morgen ehrlich und echt da sein kann?

Authentisch sein! Das Wort mag abgegriffen sein. Aber ich finde: Authentische Menschen kann es nicht genug geben auf unserer Welt!


 

Kontakt zur Sendung

Katholische Kirche beim hr
Haus am Dom
Domplatz 3
60311 Frankfurt am Main
Tel.: 069/ 800 87 18-250
Fax: 069/ 800 87 18-229
info@kirche-hr.de