Das Wort zum Sonntag: "Trösten statt fertig machen"
Pastoralreferentin Verena M. Kitz
11.08.2012 21:30

Die Olympischen Spiele gehen morgen zu Ende. Bis morgen wird noch gesiegt und verloren, gejubelt und geweint – so, wie es zum Sport dazu gehört. Ich kann hier keine Bilanz ziehen, will auch nicht über Sportförderung diskutieren. Ich habe mich gefreut, tolle Leistungen zu sehen, sportlich und menschlich.

 

Aber ich bin in diesem Jahr auch erschrocken, vor allem in den ersten Tagen der Spiele: Erschrocken, wie Teile der Öffentlichkeit Sportler angegriffen, ja mit Worten fertig gemacht haben: Wenn die erhofften Medaillen nicht geliefert wurden, war vom Desaster die Rede, von Pleite, von Enttäuschung und Versagen. Als gäbe es ein Recht der Öffentlichkeit auf einen Platz ganz vorne im Medaillenspiegel.

 

Klar, Siegen ist viel schöner als verlieren, auch für die, die mitfiebern. "Wir haben gewonnen", sagen wir ja gerne. Und klar: Sport ist auch ein Geschäft. Wer da nicht den geplanten Erfolg bringt, wird ausgemustert, im schlimmsten Fall fertig gemacht. Aber dagegen wehre ich mich – im Sport und auch sonst.

 

Ich finde es unmenschlich: Menschen fertig zu machen oder fallen zu lassen. Ich bin keine Sportlerin, aber dieses bittere Gefühl, wenn mir etwas daneben gegangen ist, das kenne ich auch. Ich bin wütend auf mich, gerade, wenn ich mich angestrengt habe. Ich frage mich tausendmal, was ich hätte anders machen müssen, will mich am liebsten verkriechen, mache mich selber fertig. Wenn dann auch noch einer kommt und nachbohrt: Was war denn da los? Das hätte doch besser klappen müssen! Dann ist es ganz aus.

 

Denn was ich mir in so einer Situation erst einmal wünsche, was ich eigentlich brauche, ist etwas ganz anderes: Ich wünsche mir Trost. Ich wünsche mir, dass mich jemand in den Arm nimmt, mich spüren lässt: Ich halte zu dir, du bist viel mehr als diese Niederlage, so weh sie jetzt auch tut.

 

So getröstet zu werden, das ist wirklich Balsam für die Seele. Dann kann ich aufatmen, irgendwann mich hoch rappeln. Mich in Ruhe fragen: Woran lag es? Und  damit neu anfangen. Die Bibel sagt: Dieser Trost ist auch so etwas wie ein Kennzeichen Gottes. Wenn ich Trost spüre, bekomme ich eine Ahnung davon, wie Gottes Liebe sich anfühlt! Wie? Wie dieses Ja zu mir, egal was passiert, wie diese Kraft, neu anzufangen.

 

Solchen Trost gibt es – sogar im harten Profisport! Das haben vor ein paar Wochen die irischen Fußballfans bei der Europameisterschaft gezeigt. Ich muss in diesen Tagen immer wieder an sie denken. Als ihre Mannschaft gegen Spanien mit 0:4 am Verlieren war, da haben sie nicht gepfiffen oder gebuht! Die Fans haben ein altes irisches Volkslied gesungen, von Leid und Hoffnung, auch von Gott. Und damit haben sie ihre Mannschaft getröstet und die halbe Welt noch mit – sogar der Moderator hat andächtig zugehört.

 

Trösten ist viel besser als fertig machen. Und das gilt weiter, auch wenn morgen die Olympischen Spiele zu Ende gehen. Nächste Woche fängt bei meinen Kindern die Schule wieder an. Oder für viele von uns eine neue Arbeitswoche. Da geht es dann auch im Alltag wieder um Leistung, um Sieg und Niederlagen. Ich will dran denken: Auch da ist Trösten viel besser als fertig machen!

 
 

 

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