Das Wort zum Sonntag: "Europameisterschaft"
Pfarrerin Adelheid Ruck-Schröder
30.06.2012 21:50

Morgen ist Endspiel. Schade, dass wir raus sind.

 

Ich werde mir das Spiel trotzdem anschauen. Wenn der Schiedsrichter in Kiew das Finale anpfeift, wenn die Nationaltrainer Spaniens und Italiens am Spielfeld unter Strom stehen, wenn die erste Flanke geschlagen ist, dann sitze auch ich mit meiner Familie vor dem Fernseher.

Und ich gebe mich der Illusion hin, dass es 90 Minuten lang nur um Sport geht, um Teamgeist und Tore, um Fouls und Fehlpässe, um den Ball, der partout nicht ins Tor will oder am Ende doch mit einem Elfmeter noch drin.

 

Dabei weiß ich natürlich, dass viel mehr im Spiel ist als Sportsgeist. Geld spielt mit: Viel Geld für die Profispieler und andere, die an so einer internationalen Sportveranstaltung verdienen. Politik spielt mit: Wenn die Kamera auf Viktor Janukowitsch, den Staatspräsidenten des ukrainischen Gastgeberlandes schwenkt, weiß ich wieder: Auch während des Endspiels werden Menschenrechte in der Ukraine verletzt, sitzen unliebsame Politiker in Haft – wie in vielen anderen Ländern auch. Wenn die Kamera auf fröhliche Fans schwenkt, erinnere ich mich wieder an die Bananen, die aufs Feld flogen, weil ein Spieler mit schwarzer Hautfarbe mitspielt. Oder an Hooligans und ihre Gewalttaten außerhalb der Stadien.

Beim Fußball ist es wie im Leben sonst auch. Da spielen viele Kräfte rein. Auch solche, die gar nicht gut für uns sind. Gewinnsucht. Machtgier. Dummheit.

 

Jesus hat, so viel wir wissen, keinen Fußball gespielt oder kommentiert. Aber er hat das Leben kommentiert. Einmal brachte er seine Freunde zum Nachdenken: Jesus sagte: "Was nützte es dem Menschen, wenn er die ganze Welt gewinnen würde, aber Schaden nähme an seiner Seele?"

Ich finde den Satz gut anwendbar auf das Endspiel und natürlich darüber hinaus auf das Leben. Er gibt nämlich eine klare Richtschnur vor: Es ist schön zu gewinnen, aber nicht um jeden Preis. Es ist schön viel Geld zu verdienen, aber nicht, wenn es maßlos wird.

Es ist schön, dass es internationale sportliche Turniere gibt. Aber es ist nicht egal, wenn nebendran Menschen drangsaliert werden.

Morgen ist Endspiel. Wir wären gern Europameister geworden.

 

Aber in diesen Tagen gibt es Wichtigeres. Europas Wohlergehen und Stellung in der Welt stehen auf dem Spiel. Da schwingen auch bei der Europameisterschaft unweigerlich die Grundideen Europas mit: die friedensstiftende Seite aller Sportwettkämpfe zum Beispiel. Deren Wiege stand vor 2700 Jahren immerhin in Griechenland. Aber auch der solidarische Geist Europas. Der hat sich mühsam und stetig in den vielen Jahren nach dem Krieg entwickelt. Heute ist heiß umstritten, welche Finanzpolitik wir  in Europa brauchen. Aber dieser solidarische Geist wird sich hoffentlich weiter bewähren. Ohne ihn verlöre Europa seine Seele.  

 

"Was nützt es dem Menschen, wenn er die ganze Welt gewinnen würde, aber Schaden nähme an seiner Seele?"

Sendeort und Mitwirkende

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Evangelische und Katholische Rundfunkarbeit beim Saarländischen Rundunk