Das Wort zum Sonntag: "Kann man Gott beleidigen?"
Pastorin Nora Steen
22.09.2012 22:10

Als ich diese Woche an meinem Lieblings-Döner-Imbiss vorbeikam, ertappte ich mich dabei, dass ich auf einmal die beiden Männer hinterm Tresen ziemlich argwöhnisch beobachtete. Sie redeten auf Arabisch miteinander und ich fragte mich: Reden die etwa über das Mohammed-Video, das für brennende Häuser und tote Menschen in der arabischen Welt sorgt? Und wird es vielleicht auch hier bei uns demnächst gewalttätige Proteste geben wie in Afrika und Afghanistan? 

 

###f03###Im nächsten Moment habe ich mich über diese Gedanken geschämt. Ich meine, das kann doch nicht wahr sein, dass ich auf einmal alle Muslime unter Generalverdacht stelle, weil  ein paar tausend Radikale westliche Botschaften anzünden und Attentate  verüben.

Ich hab mir dann ein Herz genommen und Herrn Östürk hinterm Tresen direkt gefragt, was er eigentlich über das Video und die Lawine der Gewalt denkt. Er sagte: "Klar, der Film tut mir weh. Weil er meine Würde als Moslem verletzt. Aber diese Radikalen machen alles nur noch viel schlimmer. Das ist nicht gut." Ich konnte ihm ansehen, dass er wirklich verletzt war. Umso mehr hat mir seine klare Verurteilung der Gewalt imponiert.

Dann habe ich mich gefragt: Wie konnte es nur dazu kommen, dass ich Herrn Östürk, bei dem ich seit Jahren meinen Döner kaufe, auf einmal anders gesehen habe? Das Problem ist gar nicht dieses schlechtgemachte Video, das so offensichtlich unter der Gürtellinie ist, dass man gar nicht drüber reden muss. Es verhöhnt in seiner platten Dreistigkeit nicht nur Muslime, sondern alle Menschen, denen der Glaube ein Herzensanliegen ist. Es sollte deshalb Gläubige aller Religionen miteinander solidarisieren, weil wir alle – ob nun Juden, Christen oder Buddhisten – dieses Gefühl auch kennen: Dort, wo es um das geht was wir lieben; um das, woran unser Herz hängt, da sind wir besonders verletzlich.

 

Mein Misstrauen haben die Bilder von Toten und von Taten einer radikalen Minderheit gesät. Sie handeln angeblich im Namen Gottes und merken gar nicht, dass sie damit nicht nur ihren Opfern, sondern auch ihren eigenen Glaubensgeschwistern schaden. Nein, ich will keinen Gottesstaat, der Menschen zum "richtigen" Glauben zwingt. Gott benötigt keine aggressiven Eiferer. In seinem Namen Menschen zu töten, das ist für mich Gotteslästerung. Wer das weiß und glaubt, der wird sich von diesen perfiden Angriffen einiger weniger nicht provozieren lassen, so schwer das auch ist. Jemand schrieb mir dazu: "Es gibt vieles in der Welt, das meine Religion beleidigen WILL.

Aber ich WILL mich nicht beleidigen lassen. Nicht aus Desinteresse, sondern weil Gott einfach auch diejenigen liebt, die ihn beleidigen. Ich habe es so gesehen nicht nötig, meine Religion zu verteidigen."

 

Was ist für mich die Konsequenz aus der Begegnung mit Herrn Östürk und der massiven Gewalttätigkeit der Radikalen in der letzten Woche? Ich wurde wachgerüttelt: Wir dürfen uns von den Fanatikern nicht zu misstrauischen Menschen machen lassen. Denn genau das wollen die doch erreichen! Dass da ein unüberbrückbarer Graben entsteht zwischen Christen und Muslimen, arabischer und westlicher Welt und wir aus Angst voreinander nicht mehr frei äußern können, was wir wirklich denken. Davor habe ich Angst und das WILL ich nicht. Ich habe ja erlebt, wie es anders gehen kann. Nach dem kurzen Gespräch an der Dönerbude fühlte ich eine grundlegende Übereinstimmung zwischen uns. Ohne Worte darüber zu verlieren war klar: Wir lassen uns den Schatz unseres jeweiligen Glaubens nicht kaputt machen. Egal wo welche Filme gezeigt werden.

Sendeort und Mitwirkende


Redaktion: Eberhard Kügler (NDR)