Das Wort zum Sonntag: "Eingeschlafen oder tot"
Pastorin Annette Behnken
02.02.2013 21:25

Guten Abend. "Gott ist nicht tot, er ist nur beim Wort zum Sonntag eingeschlafen." Diesen Spruch bekam ich mit auf den Weg, als Bekannte erfahren haben, dass ich das Wort zum Sonntag spreche. Eingeschlafen: So scheint es. Gott ist nicht tot, aber in der Kirche macht er wohl schon seit Langem ein ausgiebiges Nickerchen. Für viele ist er da nicht mehr spürbar oder erfahrbar.

 

Ich habe das noch anders erlebt – in meiner Kindheit. Das Tischgebet vor jedem Essen bei meinen Großeltern. "Alle guten Gaben, alles, was wir haben, kommt oh Gott von dir." Es war eine Selbstverständlichkeit, dass mein Großvater diese Worte vor jeder Mahlzeit sprach. Dass mein Bruder und ich getauft wurden, das stand gar nicht zur Debatte, das war völlig klar für meine Eltern. Aber als Jugendliche habe ich angefangen, die kirchlichen Traditionen zu hinterfragen. Irgendwann habe ich die Gebete in der Kirche nicht mehr mitgesprochen. Sie berührten nicht mein Leben. Ich bin dann auf Distanz zur Kirche gegangen. Aber ich habe nicht aufgehört, ein religiöser Mensch zu sein.

 

Das, was mir damals passiert ist, erleben viele Menschen heute: Der christliche Gott verschwindet aus dem Leben von immer mehr Menschen. Aber die Religion verschwindet nicht. Das ist das Ergebnis einer neuen Studie über die Bedeutung von Religion und Glauben in unserer Gesellschaft. Wir sind dauernd auf der Suche nach Orientierung, nach Sinn und Halt. Die Kirchen sind dafür nicht mehr die erste Anlaufstelle. Dafür boomt die Ratgeber-Literatur. Besser leben, bessere Ernährung, bessere Erziehung, bessere Partnerschaft, wie geht Sterben. Überall gibt es Tipps und Ratschläge. Die Kirche kommt darin nicht mehr vor.

 

Dabei suchen viele – suchen die Mitte und den Grund ihres Lebens. Nach etwas, das macht, dass ich mich zutiefst lebendig fühle. Nur suchen sie inzwischen eben außerhalb der Kirchen, in der Begegnung mit anderen Religionen, wissenschaftlichen Erkenntnissen, in Psychologie und Beratung.

 

Seit Jahren verlieren die Kirchen und ihre Vertreter massiv an Vertrauen. Möglich, dass Sie das auch erleben, dass Sie durch viele Umstände die Beziehung zur Institution Kirche verloren haben. Als ich mich damals von der Kirche abgewandt hatte, habe ich in anderen Religionen gesucht. Habe dort mit den Menschen gesprochen, viele Fragen gestellt. Habe geguckt: Was haben die für Antworten? Wie handeln die? Und: Wie beten sie?

 

Ich habe einen Umweg gebraucht, um die Schätze meiner Tradition wiederzuentdecken. Ich habe entdeckt, dass die Worte der Bibel mir Trost und Kraft geben, wenn ich sonst mit Trost und Kraft am Ende bin. Ich habe entdeckt, dass ich klar und ruhig werde, wenn ich in einer schönen Kirche sitze und den alten Raum auf mich wirken lasse.

 

Und da konnte ich wieder anfangen zu beten. So ist es mir ergangen, wie auch einem Schriftsteller:

 

"Ich möchte nicht in einer Welt ohne Kathedralen leben. Ich brauche den Glanz ihrer Fenster, ihre kühle Stille, ihr gebieterisches Schweigen. Ich brauche die heilige Andacht betender Menschen. All das brauche ich."

Sendeort und Mitwirkende

Norddeutscher Rundfunk

Redaktion: Eberhard Kügler