Das Wort zum Sonntag: "Klein gegen Groß"
Pfarrer Gereon Alter
28.12.2013 22:35

Waren Sie gerade auch dabei, als bei Kai Pflaume wieder die Kleinen gegen die Großen angetreten sind? Erstaunlich, was Kinder schon alles können, wie mutig sie sind und wie schnell sie damit unsere Herzen erobern. Da kommen wir Erwachsenen manchmal kaum gegen an. Die Kleinen können schon ganz schön groß sein. – In so einer Spielshow ist das ausgesprochen unterhaltsam. Aber wie ist das im realen Leben, wenn da plötzlich ein Kind ganz mächtig wird?

Erinnern Sie sich noch an die sechzehnjährige Malala, die im vergangenen Sommer vor den Vereinten Nationen gesprochen hat? Die Taliban hatten ihr aus nächster Nähe in den Kopf geschossen, weil sie sich öffentlich für die Rechte von Frauen und Kindern eingesetzt hatte. Man wollte sie ausschalten, sie zum Schweigen bringen. Und fast wäre sie tatsächlich an ihren schweren Verletzungen gestorben. Doch dann ist sie gesund geworden und hat wieder ihre Stimme erhoben. Die Geschichte ist für sie also letztlich gut ausgegangen. Aber sie zeigt, dass die Leidenschaft, die Klarheit und der Mut, zu dem Kinder fähig sind, alles andere als ein Kinderspiel sind.

Die christlichen Kirchen gedenken heute einer ganz ähnlichen Geschichte, die einen tödlichen Ausgang genommen hat. In Bethlehem, einer kleinen jüdischen Stadt, war ein Kind zur Welt gekommen, von dem man sagte, dass es mal ein König werden würde. Aus Angst, dieses kleine Kind könne ihm einmal ins Gehege kommen, wies der damalige Kaiser Herodes seine Soldaten an, alle Kinder unter zwei Jahren in Bethlehem und Umgebung zu töten. Der Kindermord von Bethlehem. Eine der größten Greueltaten der Geschichte – begangen aus Angst vor einem kleinen Kind. Dabei war das Kind, das Herodes eigentlich ausschalten wollte, längst mit seinen Eltern nach Ägypten geflohen. Es wuchs heran und ist als Jesus von Nazareth bekannt geworden.

Viele von uns haben ihn in diesen Tagen als kleines Kind in der Krippe vor Augen, als holden Knaben im lockigen Haar. Dabei hat kaum einer die Welt so nachhaltig verändert wie er. Er ist tatsächlich ein König geworden. Ganz anders nur, als Herodes es in seiner Angst befürchtet hatte. Seine Macht war nicht die Macht der Großen, sondern eine Macht der Kleinen. Derer, die wie ein Kind darauf vertrauen können, dass die Wahrheit einmal ans Licht kommen und sich gegen alles Unrecht durchsetzen wird. Und die den Mut besitzen, sich auch gegen die größten Widerstände für diese Wahrheit einzusetzen. So, wie es Malala getan hat, und wie es Gott sei Dank auch viele andere tun, die das kleine Kind in sich noch nicht zum Schweigen gebracht haben.

"Wer ist in Gottes Augen der Größte?" hat Jesus einmal seine Jünger gefragt. Als sie ihn ratlos angeschaut haben, hat er ein Kind herbei gerufen und es in ihre Mitte gestellt. "Wenn ihr nicht werdet wie dieses Kind, taugt ihr nicht für das Reich Gottes."

Das Kind in mir entdecken. Darum geht es. Dieses Urvertrauen, dass es die Wahrheit, die ich erahne, wirklich gibt. Und den Mut, mich dafür einzusetzen, auch wenn das Widerstand bedeutet. Die Kraft des Kindes in mir groß werden lassen. Das ist alles andere als ein Kinderspiel. Das ist und bleibt eine der größten Herausforderungen – auch und gerade für uns Erwachsene.

Ich wünsche Ihnen eine gute Nacht und einen gesegneten Sonntag.

Kontakt zur Sendung

Dr. Pater Philipp E. Reichling O. Praem. (WDR)
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