Lutherkirche in Bruchsal
Scheiden tut weh
Gottesdienst aus der Lutherkirche in Bruchsal
18.10.2015 10:05

„Scheiden tut weh“, liebe Gemeinde, diesen Schmerz macht der Statistik nach jedes 3. Ehepaar in Deutschland durch. Eine Scheidung betrifft nicht nur die Eheleute, sondern ganze Familien und Freundeskreise. Sie bedeutet einen Schnitt durch das gesamte Leben. Wenn das JA-Wort fraglich oder gar brüchig geworden ist, wenn das Versprechen „bis das der Tod scheidet“ nicht eingehalten werden kann oder konnte, plagen Gefühle des Gescheitert seins. Gefühle der Schuld und der Scham begleiten mehr oder weniger den weiteren Lebensweg. Unabhängig davon ob eine Scheidung einvernehmlich und friedvoll verläuft oder über einen Teil überraschend hereingebrochen ist.

 

Fragen beschäftigen wie z.B.: Wie konnte ich ihr/ihm Vertrauen schenken? Wie konnte ich mich so verhalten? Werde ich wieder vertrauen können? Hätte ich, hätten wir durchhalten müssen oder können? Hätten wir es nicht noch einmal versuchen müssen, aus Rücksicht auf die Kinder und deren Entwicklung, oder im Blick auf die Karriere, die Freundeskreise und der gesamten Familie gegenüber? Alle sind betroffen. „Scheiden tut weh.“

 

„Was Gott zusammengefügt hat, soll der Mensch nicht scheiden.“ Seit Jahren werden immer weniger Ehen geschlossen – aus unterschiedlichen Gründen. Einige formulieren: „Ich habe als Kind selbst eine unglückliche Ehe an meinen Eltern erlebt und unter der Scheidung gelitten.“ Andere können nicht guten Gewissens ein Versprechen geben, dessen Dimension sie nicht überblicken können, von dem sie nicht wissen, ob sie es in 20 Jahren noch halten können.

 

Es ist nicht der vielzitierte Werteverlust, denn die Ehe hat nicht an Bedeutung verloren. Insgesamt aber haben die Ansprüche an die eheliche Gemeinschaft zugenommen. Von der Partnerschaft wird viel, vielleicht zu viel, erwartet. Beziehung wird einerseits als besonderes Geschenk gewürdigt zugleich wird der Partner/in als Garant für das eigene Glück überhöht. Das erzeugt einen gewissen Leistungsdruck.

 

„Was Gott zusammengefügt hat, soll der Mensch nicht scheiden.“ Dieser Satz wird oft bei kirchlichen Trauungen zitiert. Für mich klingt er nach Entlastung. Zwei sind nicht nur auf sich gestellt. Ein Zuspruch liegt darin verborgen: Gott hat bisher begleitet und wird dies auch weiterhin tun.

 

„Was Gott zusammengefügt hat“… Mit diesen Worten lenkt Jesus den Blick auf den Zauber des Anfangs. Jesus redet ähnlich wie Therapeuten heute. In einer Krise fragen sie die Paare: „Was hat Ihnen denn an Ihrer Frau gefallen. Was schätzen Sie noch?“ Sie lenken den Blick einmal weg von den gegenseitigen Vorwürfen. Laden ein weg von der derzeit belasteten Situation an den Anfang zurückzudenken. Die meisten Paare beschreiben dann, dass sie ihr Kennenlernen als besonderes und schicksalhaftes Ereignis oder eben von Gott gefügt, erlebt haben. Schönes wird erinnert, Ressourcen deutlich und das, was die Beziehung wieder stärken könnte. Eine andere Perspektive einnehmen, um neue Lösungen zu finden.

 

„Was Gott zusammengefügt hat“ mit diesen Worten lenkt Jesus den Blick zu Gott selbst. Zu Gott, der die Liebe ist. Gott sagt JA in allen Zeiten. Dieser Zuspruch kann das eigene verletzte Herz stärken und das JA-Wort zur Partnerschaft erneuern. Aber immer wieder erleben und erleiden wir, wie schwach unser Herz ist. Wie hart manchmal und wie zerbrechlich. Gottes JA-Wort bleibt auch dann bestehen, wenn wir unser Wort zueinander nicht halten können. Jesus betont: Gott liebt bedingungslos. Jesus lehrt und lebt diese Liebe. Ich finde das spannend und typisch für Jesus: Eben hat er sich noch eingelassen auf eine theoretische Diskussionen über Scheidung. Und gleich danach wird er konkret und wendet sich entgegen allen Erwartungen den Kindern zu. So wird im Markus 10, 13-16 überliefert. Hören wir weiter:

 

Und sie brachten Kinder zu ihm, damit er sie anrühre. Die Jünger aber fuhren sie an.

Als es aber Jesus sah, wurde er unwillig und sprach zu ihnen: Lasst die Kinder zu mir kommen und wehret ihnen nicht; denn solchen gehört das Reich Gottes. Wahrlich, ich sage euch: Wer das Reich Gottes nicht empfängt wie ein Kind, der wird nicht hineinkommen. Und er herzte sie und legte die Hände auf sie und segnete sie. (Markus 10)

 

Jesu Antwort auf die menschliche Hartherzigkeit ist seine Barmherzigkeit. Er gibt Segen den Zerbrechlichen. Jesus wendet sich nicht ab. Er wendet sich denen zu, die Schutz bedürfen. Empfängt mit offenen Ohren und Armen die Schwächsten: die Kinder. Die Kinder leiden unter der Ehe und der Scheidung am meisten. Sie tragen oft schwer an ihren diffusen Schuldgefühlen. Kinder vermuten, ihre eigenen Verhaltensweisen seien Auslöser für Streit und Trennung der Eltern. Sie überlegen: „ Was hätte ich tun können oder lassen, damit Mama und Papa beieinander bleiben?“

 

Und wie oft geraten die Kinder auch zwischen die Stühle: Sorgerechtsstreits, Unterhaltszahlungen die ausbleiben, zulasten der Kinder… Jesus erinnert daran: Auch wenn die Liebe zueinander aufhört und die Wege zueinander verbaut sind, hört die Verantwortung den Kindern gegenüber nicht auf. Jesus segnet die Kinder. Damit richtet er seinen Blick auch in eine verheißungsvolle Zukunft. Seine offenen Arme und Ohren, seine Barmherzigkeit gilt allen Kindern Gottes. Er reduziert niemanden auf das vergangene Scheitern.

 

„Scheiden tut weh“ denn auch das eigene kindliche Urvertrauen schwindet ein wenig mehr. Der eigene Glaube ist in Krisenzeiten Enttäuschungen und Zweifeln ausgesetzt. Die verletzten Herzen finden Zuflucht, Schutz und Barmherzigkeit in Jesu Armen.

 

„Scheiden tut weh“. Jesus aber schenkt die Gewissheit: Gottes JA-Wort bleibt bestehen. Sein JA schafft die Grundlage, dass ich immer wieder neue Anfänge wagen darf. In Gottes JA liegt die Möglichkeit, dass Paare in der Krise zurück in die Zukunft finden und wieder gemeinsame Wege gehen können. Gottes JA schenkt Trost auch nach einer schmerzhaften Scheidung mit vielen Selbstvorwürfen. Kann den Geschiedenen den friedvollen Umgang wieder ermöglichen. Den frisch Verliebten den Mut zum JA sagen schenken, im Vertrauen auf Gottes JA.

Jesu zugewandte Liebe, sein bedingungsloses JA in allen Zeiten kann bewirken, dass mir trotz allem wieder „das Herze lacht.“

 

AMEN