Wort zum Tage
Der Koffer
04.05.2021 06:20
Sendung zum Nachlesen

Es gibt Tage, da ziehe ich mit einem Koffer los.
Normalerweise habe ich alles Notwendige in einer Stofftasche über der Schulter hängen: Portemonnaie, Kalender und Notizbüchlein, ein Stift - je nachdem, was ich so brauche.
Wenn ich allerdings mit dem Koffer losziehe, dann gibt es was zu feiern.
In den Koffer passt so einiges rein. Zwei Kerzenleuchter, ein kleiner silberner Kelch, eine sil-berne Dose, ein silberner Teller, eine Glaskaraffe, ein silbernes Kreuz und eine weiße Tischde-cke. Alles wohlgeordnet. Komme ich mit dem Koffer, dann wird ein Hausabendmahl gefeiert.

In diesem Jahr bin ich öfter mit dem Koffer unterwegs. In Pandemiezeiten wird das Abend-mahl rar. Aus einem gemeinsamen Kelch können wir im Gottesdienst nicht mehr trinken und auch nicht dicht an dicht in einem Kreis um den Altartisch stehen.
Zu Hause Abendmahl feiern - mit einem Haushalt - das geht, auch in Pandemiezeiten.
Und so bin ich eben öfter mit dem Koffer unterwegs.
Normalerweise brauche ich zum Abendmahl nur Brot, meist in Form einer Oblate, und Wein oder Traubensaft. Aber was heißt das schon: normal?
Bei Sommers zum Hausabendmahl ist das anders.
Herr Sommer liegt im Bett, als ich den Abendmahlstisch mit seiner Familie vorbereite. Ganz in seiner Nähe, so dass er den Tisch sehen kann, dass er hören kann, wie wir die Kerzen mit Streichhölzern entzünden. Herr Sommer kann das Bett nun seit einer ganzen Weile nicht mehr verlassen. Wir versammeln uns also um den Abendmahlstisch mit der weißen Tischdecke, dem Kreuz, den Kerzen, den Oblaten auf dem silbernen Teller und dem Wein in dem Kelch. Plötz-lich wird der Tisch noch reichlicher gedeckt. Frau Sommer bringt ein hübsches Schälchen, lie-bevoll bestückt mit Eis und Schlagsahne. "Könnten wir das meinem Mann reichen? Oblate und Wein kann er nicht zu sich nehmen wegen seiner Krankheit."
Geht das? Darf ich das? Wirre Gedanken schießen mir durch den Kopf bis ich merke, ich habe schon geantwortet: "Aber natürlich."
So feiern wir Abendmahl. Wir reichen uns gegenseitig Brot und Wein; und Schlagsahne und Eis. Nimm und iss vom Brot des Lebens. Nimm und trink vom Kelch des Heils. Da spüre ich es. Spüre sie, die Kraft, die von diesem besonderen Mahl ausgeht. Die Stärkung und die Heilung, die mein Begreifen bei Weitem übersteigen.
 

Es gilt das gesprochene Wort.

Sendungen von Pfarrerin Elisabeth Schulze