Der Gottesdienst für die Hörer:innen findet ohne Gemeinde am Ort statt. Die Mitwirkenden in der Kirche wissen sich durch hr4 und Deutschlandfunk mit den Menschen verbunden, die zuhören und mitfeiern.
"Über den Wolken". In dem Lied von Reinhard Mey geht es um den Wunsch, alle Ängste und Sorgen unter sich zurückzulassen. Über den Wolken muss die Freiheit wohl grenzenlos sein. Das Lied und die Sehnsucht nach Freiheit verbindet Pröpstin Katrin Wienold-Hocke in ihrer Predigt mit einem Satz aus der Bibel: "Wo Gottes Geist weht, da ist Freiheit."
Durch den Gottesdienst führt hr4 Moderator Hermann Hillebrand. Mit Statements und bei den Gebeten wirken Violetta Szurpita und Pfarrer Björn Henkel mit.
Die musikalische Gesamtleitung liegt in den Händen von Kantor Martin Forciniti, der Orgel und Klavier spielt. Es singt der Frauenchor Cantabile unter der Leitung von Merle Clasen sowie Felix Appel. Milena Lenger spielt Querflöte.
Nach dem Gottesdienst können Hörer:innen mit Pröpstin Katrin Wienold-Hocke telefonieren. Sie ist von 11.00 bis 12.00 Uhr unter der Telefonnummer 05 61 / 93 78 13 51 zu erreichen.
Die Karlskirche in Kassel ist eine alte Hugenottenkirche. Im Zweiten Weltkrieg wurde sie stark zerstört und 1957 wiederaufgebaut. Seitdem besitzt die Karlskirche ein Glockenspiel, das zu Beginn des Radiogottesdienstes die Melodie von "Über den Wolken" spielen wird.
Lieder des Gottesdienstes:
1. EG 75, Strophe 2 und 3: Da berühren sich Himmel und Erde
2. EG 258, Zieht in Frieden eure Pfade
Predigt nachlesen:
I
Pröpstin Katrin Wienold-Hocke
Über den Wolken.
Wenn Reinhard Mey ein Konzert gibt, gehört dieses Lied dazu, seit mehr als 50 Jahren. Es ist ein Volkslied geworden, so gern und oft wird das gesungen. Das Lied zaubert mir ein Lächeln ins Gesicht – die grenzenlose Freiheit über den Wolken, das ist mein Traum!
Für den Sänger war es ein Kindheitstraum, einmal wirklich Flugstunden zu nehmen. Aber weil der junge Reinhard Mey im geteilten Berlin aufwuchs, konnte sein Wunsch sich dort nicht erfüllen.
Als Erwachsener lernte er dann jemanden aus Wilhelmshaven kennen. An dem kleinen Flughafen dort hat er tatsächlich seine Pilotenlizenz erworben und währenddessen so-gar am Flughafen gewohnt. Im Jahr darauf hat er das Lied geschrieben, im Studio auf-genommen, und es hat sofort Menschen begeistert. Weil die Erfahrung so zugänglich und so himmlisch zugleich ist.
Über den Wolken. Ich brauche dafür keinen bebenden Asphalt und auch kein Flugbenzin, nur ein paar feste Wanderschuhe und einen Berg. Wenn ich schnaufend oben ankomme, ist das Erlebnis umso intensiver. Ich atme tief durch. Auf dem Gipfel bin ich im Himmel, Blau und Wolken, um mich herum - grenzenlos.
Ganz tief unten im Tal sind Felder, Häuser, winzige Menschen zu sehen. So weit weg ist mein Alltag im Gewimmel, mit seinen Sorgen. Hier oben bin ich Gott so nahe. Schwerelos. Aufgehoben in Gottes grenzenloser Güte, von der der Psalm singt, den wir vorhin gehört haben: "HERR, deine Güte reicht, so weit der Himmel ist, und deine Wahrheit, so weit die Wolken gehen."
Endlich frei. Eine junge Kollegin erzählt mir: "Ich fahre wieder mit dem Fahrrad." Seit sie im Ruhestand ist, fühlt sie sich wie damals, als junge Frau, mit Rückenwind und wippenden Locken. Sie ist dem Alltag in ihrem Büro im dritten Stock entronnen.
Über den Wolken… unzählige Male wurde das Lied umgedichtet, zum Abschied vom Berufsleben passt es doch großartig. Was für eine wunderbare Freiheit ist das, jetzt Zeit zu haben.
Reinhard Meys Lied weckt auch die Sehnsucht nach politischer Freiheit, nach Reisefreiheit und Selbstbestimmung. In der DDR war das Lied verboten, und doch verbreitete es sich über die Grenzen hinweg; Violetta hat von solchen Einschränkungen in Polen vorhin erzählt. Lieder und Gedanken sind eben frei, Träume kann man nicht begrenzen. Und der Himmel über mir ist überall grenzenlos.
Pfarrer Björn Henkel
Als ich in der 5. Klasse war, haben wir das Lied rauf und runter gesungen.
Das ist jetzt 25 Jahre her. Aber ich erinnere mich noch genau an das Gefühl: Freude. Lust an Freiheit.
Als Kind war das ganz einfach: Freiheit – die kam nach den Hausaufgaben.
Da konnte ich tun und lassen, was ich wollte.
Wir Kinder aus dem Dorf haben uns getroffen.
Und dann war es auch ein bisschen so, als wären wir wirklich über den Wolken. Die Zeit verging wie im Flug.
Wovor wir uns Sorgen gemacht haben – ich weiß es nicht mehr.
Wir lebten einfach so in den Tag hinein.
Noch heute verbinde ich dieses Gefühl mit dem Duft von frisch gemähtem Gras.
Und damit, wie die Haut riecht, wenn ich den Tag in der Sonne verbracht habe.
Eine Zeit, in der alles, was mir heute so groß und wichtig erscheint,
letztlich eines war: winzig und klein.
Was mir damals nicht klar war:
"Über den Wolken" ist kein Lied vom Fliegen.
Sondern eins von der Sehnsucht nach Freiheit.
Und vielleicht auch von dem Wunsch: einfach mal weg.
Raus aus allem.
Heute weiß ich, wie schnell der Alltag diese Leichtigkeit zudeckt.
Mit Terminen. Verpflichtungen.
Mit Gedanken, die kreisen.
Und Fragen, auf die es keine einfachen Antworten gibt.
Wegfliegen und alles hinter mir lassen.
Über den Wolken eben. Darunter bleiben verborgen alle Ängste, alle Sorgen.
Ja, manchmal wünsche ich mir, es ginge so einfach.
Aber das Leben hält mich am Boden.
Und dann hebe ich den Blick.
Manchmal hilft genau das:
Durchatmen.
Und sie für einen Moment spüren:
Die grenzenlose Freiheit.
II
Pröpstin Katrin Wienold-Hocke
Mit Jesus hatten seine Freundinnen und Freunde eine Freiheit erlebt, die sie sich nicht erträumt hatten. Die Fischer am See hatten ihre Netze liegenlassen und waren mit Jesus aufgebrochen - in das Reich Gottes, in ein Leben ohne Unrecht und Unterdrückung.
Auf dem Weg mit Jesus haben sie erfahren, wie nahe Gott ist. Sie haben den Himmel auf Erden erlebt in der Wüste, am See, in den Dörfern. Wie Jesus Menschen geheilt und aufgerichtet hat, die kaum mehr atmen konnten. Wie er ihnen die Augen geöffnet hat und ihre bösen Geister vertrieben.
Sorget nicht, hat Jesus gesagt. An seiner Seite war das so leicht, jeden Tag für sich zu nehmen. Sie haben sich von ihm senden lassen und den Traum geteilt von Gottes Gerechtigkeit und Frieden, für die Armen zuerst.
Ein gefährlicher Traum war das für die Mächtigen, darum ist Jesus gekreuzigt worden. Ausgeträumt. Dann das Wunder von Ostern: Jesus ist vom Tod auferstanden. Er er-scheint seinen Freundinnen und Freunden immer wieder, isst und trinkt mit ihnen, spricht mit ihnen. Himmel auf Erden - bis Jesus von einer Wolke in den Himmel getragen wird. So erzählt es die Bibel. Über den Wolken. Grenzenlose Freiheit an Gottes Seite.
Nun ist Jesus wieder weg. Ganz weg. Und die Jünger sitzen an Pfingsten zusammen, traurig und mutlos. Bis der Geist Gottes sie ergreift. Der Himmel tut sich auf über ihnen, da, wo sie sind. Sie spüren: Jesus ist weiter an ihrer Seite, lebendig, in dieser Freiheit, zu hoffen, zu wagen und zu träumen. Das Reich Gottes beginnt jetzt. Gottes Geist befreit sie von ihrer Trauer. Sie haben wieder Mut, sich für andere einzusetzen. Diese Begeisterung und ihren Glauben haben die Jünger geteilt. Der Funke sprang über, an Pfingsten, in einem großen Fest.
Pfarrer Björn Henkel
Mit diesem Fest beginnt die Geschichte der Kirche.
Als einer Gemeinschaft, die sich in dieser Freiheit verbunden weiß. "Steht fest in der Freiheit!"
Dazu ermutigt der Apostel Paulus seine Gemeinde.
Und mahnt zugleich: "Lasst euch nicht wieder einengen."
Ich wünschte, ich könnte hören,
wie Paulus damals über die "herrliche Freiheit" der Kinder Gottes gesprochen hat.
Mit Leidenschaft – weil er erlebt hat, wie überwältigend Gottes Liebe ist.
Grenzenlos - weil sie jedem Menschen gilt.
Mit Freude und Lust – weil diese Freiheit auch sein Denken befreit hat.
Er hatte sein Damaskus-Erlebnis. Ursprünglich hat Paulus die Christen fanatisch verfolgt. Als er hört, auch in Damaskus hat sich eine Gemeinde gebildet, galoppiert er dorthin. Er will die Christen gefangen nehmen und nach Jerusalem bringen. Aber kurz vor Damaskus haut es ihn um. Er sieht ein Licht und hört die Stimme von Jesus Christus: "Warum verfolgst du mich?"
Was auch immer Paulus damals passiert ist,
in diesem einen Moment voller Licht: Es hat ihn verändert.
Als wäre sein Leben plötzlich freier.
Und leichter.
Frei –
auch in seinem Denken über Gott.
Denn: Gott lässt sich nicht einsperren.
Nicht in Regeln.
Nicht in Riten.
Gottes Geist weht,
wo und wann er will.
Dieses Erlebnis war sein Glück.
Und seine Botschaft.
Denn vielleicht ist es genau das, was passiert,
wenn wir Gott begegnen:
Wir spüren die "herrliche Freiheit" der Kinder Gottes.
Mit Leidenschaft hat Paulus seine Botschaft weitergegeben.
Mit Freude.
Viele, die davon hörten, waren begeistert.
Und diese neue Freiheit – die war überall spürbar.
Menschen kamen zusammen.
Um von Jesus zu erzählen.
Um das Leben zu teilen.
Um gemeinsam das Brot zu brechen.
Eine neue himmlische Realität.
Hier unten auf dem Boden, auf dem wir stehen.
Geprägt von Freiheit.
Und von Liebe.
III
Pfarrer Björn Henkel
Christliche Freiheit –
das ist nicht: einfach in den Flieger steigen
und allem entschweben.
Sondern: Christliche Freiheit ist die Freiheit zu lieben – ohne mich selbst zu verlieren.
Die Freiheit zu handeln – ohne Angst, nicht zu genügen.
Die Freiheit, die ich nicht nur selbst lebe – sondern auch anderen ermögliche.
Dazu befreit – und bestärkt – uns der Geist Gottes.
Pröpstin Katrin Wienold-Hocke
Die Kollegin im Ruhestand genießt es, dass sie mit dem Fahrrad schnell unterwegs ist, aber auch jederzeit anhalten kann. Sie genießt die Bodenhaftung und die Zeit für ein paar Worte. Ein Ehrenamt verleiht ihr Rückenwind. Sie besucht Menschen zuhause, die sonst wenig Besuch haben und die Zeit mit ihr genießen.
Violetta, die Polen noch aus der Zeit hinter dem Eisernen Vorhang kennt, weiß, wie schwer das ist, wenn du in der ersehnten Freiheit gelandet bist. Neue Probleme kommen auf dich zu.
Dann brauchst du Menschen, die dir weiterhelfen, die dich verstehen. Violetta spricht viele Sprachen - nicht nur im Wortsinn, sondern auch ohne Worte. Ein Formular ausfüllen, eine Brille besorgen und eine Hand halten – das ist Nächstenliebe.
Pfarrer Björn Henkel
Paulus und Reinhard Mey haben etwas gemeinsam:
Sie schwärmen von einer himmlischen Freiheit.
Und bleiben doch beide am Boden. Reinhard Mey bedauert, dass er nicht mitfliegen kann: Wäre gern mitgeflogen.
Ob er die Freiheit auf der Erde entdeckt hat? Wir erfahren es nicht.
Paulus erlebt die himmlische Freiheit auf Erden so:
Der Geist Gottes schenkt nicht nur die Freiheit aufzubrechen –
sondern auch die Kraft zu bleiben.
Nicht nur die Flügel, um abzuheben –
sondern auch den Rückenwind, der im Alltag trägt.
Damit unsere Freiheit nicht auf Kosten anderer geht,
sondern mit ihnen wächst.
Paulus schreibt:
Die Frucht des Geistes ist
Liebe und Freude.
Friede und Geduld.
Freundlichkeit, Güte und Treue.
Wenn wir im Geist leben –
dann lasst uns auch im Geist wandeln.
Frohe Pfingsten.
Amen.
Es gilt das gesprochene Wort.
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