Worte in der Fremde. „Ich will einen neuen Himmel schaffen.“ Worte für Menschen, die den Himmel im Leben grad gar nicht mehr sehen und auch nicht mehr wissen, wo sie stehen. Wo das Leben ist, wie es weitergeht.
„Ich will einen neuen Himmel schaffen.“
Worte für die Deportierten des Volkes Israel, damals in ihrem Exil. Plötzlich waren sie herausgerissen aus ihrem Leben; hatten auf die falschen Mächte gesetzt. Der Verlust der Heimat war nun die Quittung dafür.
Alles weint.
Viele hatten alles verloren. Haus, Heimat und Kind und so manche: liebenswerte Verwandten.
Nicht stehen bleiben, sagt Jesaja. Lasst uns weitergehen, lasst uns nun hier leben vor Gott.
„Denn so spricht der HERR: Siehe, ich will einen neuen Himmel und eine neue Erde schaffen, dass man der vorigen nicht mehr gedenken und sie nicht mehr zu Herzen nehmen wird.“
Als vor über 30 Jahren hier im Osten so viele Betriebe geschlossen wurden, VEBs und LPGs, auch die Wis-mut in dieser Bergbauregion, da ist für manche eine Welt zusammen gebrochen.
Wie weiter, hat sich mancher gefragt. Wovon leben? Man war plötzlich fremd im eigenen Land. Alles noch einmal von vorn anfangen und lernen?! Ja, so hat sich das angefühlt.
Man wohnte zwar immer noch in derselben Straße, im selben Haus, aber auf einmal war alles anders. Was gestern noch zählte, galt auf einmal nicht mehr. Alles neu justieren in diesem Land.
So mancher hat sich aufgerappelt, sich aufgemacht. Einen neuen Himmel gefunden im alten Land.
„Ich will einen neuen Himmel und eine neue Erde schaffen.“
Aber so mancher kommt nicht mehr hinterher.
Abseits der großen Städte, da wo auch heute nur noch das Tankstellenschild von ferne leuchtet, da fühlt sich mancher abgehängt und immer noch fremd im eigenen Land.
Ein skeptischer Blick auf alles, was neu ist oder fremd. Hauptsache Grenzen dicht, sagt Eddi.
Eddi glaubt nicht an Gott. Das hat er noch nie. Aber er glaubt, dass die Ausländer an allem schuld sind.
Daran, dass die Jugend weggegangen ist, daran, dass er nie wieder so richtig auf die Beine kam. Im Herbst hat er gewählt. Mit Wut im Bauch und Frust im Herz, ja, sagt er: Ausländer raus.
So nicht, sagt Jesaja. So nicht.
Grabt euch nicht ein in den Hass. Packt die Feindbilder weg. Gott will, dass ihr lebt, auch hier, wo vieles für euch fremd ist. Baut Häuser und wohnt darin. Denn so spricht der HERR:
„Ich will einen neuen Himmel und eine neue Erde schaffen, dass man der vorigen nicht mehr gedenken wird.“
Es wird schön werden, sagt er, steht auf, bringt euch ein.
Ich stelle mir vor, wie die Männer und Frauen diesen Jesaja angeschaut haben. Die Hinweggeführten, die Deportierten.
Ich stelle mir vor, wie sie die Tränen noch in den Augen hatten, weil alles einfach zu viel war und wie sie ihn reden hörten, ihren Jesaja:
So mancher war auf der Strecke geblieben. So mancher fehlte, das vertraute Leben war weg. Aber dieser Jesaja steht da und macht den Himmel so groß und so weit. Dass da Brot für uns alle ist, sagt er für Wolf und für Lamm und der Löwe wird Stroh fressen wie das Rind.
Neu anfangen in der Fremde, ganz ohne Feindbild, ohne Angst. Neu anfangen, wenn alles fremd geworden ist.
Hier im Osten hat Gott einen sehr schweren Stand. So mancher hat keine Hoffnung mehr. So mancher glaubt nur noch, was er sieht. So mancher hier hat auch Angst. Dass einem nochmal der Boden wegbricht.
Es gibt Parteien, die spielen mit dieser Angst, ohne dass es einer wie Eddi auch nur merkt. Ganz leise und fies. Sie spielen Menschengruppen gegeneinander aus.
Sie sagen, die da oben sind schuld.
Den Klimawandel, sagen sie, gebe es nicht.
Es sind Politiker, die sich damit profilieren:
Die da oben gegen die da unten, heißt es dann. Unser Geld nur noch für deutsche Rentner, sagen sie.
Sie zelebrieren eine Gemeinschaft, die nur bis zum Ende des eigenen Ellenbogens reicht und wer nicht so tickt, wie ich es will, der fliegt eben raus.
Wolf gegen Lamm ist die Devise. Fremde gegen Einheimische. Zugezogene gegen Eingeborene. Leben mit Feindbild.
So nicht, hat Jesaja gesagt und das Bild einer neuen Erde gemalt. Hier ist Brot für alle, sagt er. Eine Welt, wo der Hass ein Ende hat, und das Ewige aufbricht unter uns.
Mein Großvater war im zweiten Weltkrieg Soldat gewesen. Er hat in Frankreich gekämpft und war dort dann auch in Kriegsgefangenschaft geraten. Er hat arbeiten müssen bei einer Bäuerin auf dem Feld, zu-sammen mit anderen Gefangenen.
Die Bäuerin hat die ganze Woche von einem einzigen Huhn gelebt und für alle daraus Suppe gekocht.
Sechs Tage lang gab es Suppe und am siebten Tag das Fleisch. Für alle, die auf dem Hof waren. Auch für die Gefangenen.
Mein Großvater wurde gut behandelt, obwohl er ein Feind gewesen war. Einer, der mit Waffen ins Land kam. Wolf und Lamm, zusammen an einem Tisch.
So ist das, wenn Gott unter uns wohnt. Wenn das Ausspielen von Menschen gegeneinander ein Ende hat und das Ewige in unser Leben einbricht.
Einmal werden wir alle sterben und wir werden nichts mitnehmen können und auch nichts mitnehmen müssen.
Alles wird da sein, was wir brauchen. Spätestens dann liegen wir alle auch alle in ein und derselben Erde. Wolf und Lamm.
Und einer schaut uns liebevoll an. Dann wird Frieden sein.
Ganz am Ende, sagen manche, erst dann wird Friede sein. Jesaja sagt: Fangt jetzt schon damit an. Trotz allem, was ist. Bringt euch ein, macht Schluss mit dem Hass.
Wagt den Frieden und nicht nur euer Ende.
Wolf und Lamm sollen beieinander weiden und man wird weder Bosheit noch Schaden tun auf meinem ganzen heiligen Berg, spricht der HERR.
Ich suche diesen heiligen Berg, und mit mir so viele andere. Menschen in aller Welt.
Wir alle suchen diesen heiligen Berg mit der Kraft derer, die vor uns gewesen sind. Mit den Großvätern und Großmüttern, den Onkels und Tanten. Mit all denen, die zu lieben wagten, wo alles ungewiss war.
Sie tanzen jetzt schon mit Gott, hinter dem Vorhang der Zeit. Dort wo alle Bosheit ein Ende hat und Frie-den für uns alle wohnt.
Sie tanzen, denn Ewigkeit gibt’s nur zu zweit. Ein ‚ich und du‘, ein Wolf, ein Lamm und einer schaut uns liebevoll an.
Amen.
Amen
Es gilt das gesprochene Wort.