Das Klavier verstaubt
Wenn eine Belastung lange dauert, dann geht einem die Kraft aus.
Wenn es nicht weiter geht mit dem Abnehmen, wenn trotz Übens die Klaviermusik einfach nicht klingen will, wenn im Garten erst die Kälte kommt, dann die Trockenheit, dann mit dem Regen die Schnecken… dann verliert man die Lust daran und die Freude. Und auf einmal ist die Kraft weg. Dann zeigt die Waage wieder immer mehr, das Klavier staubt ein und der Garten verkommt…
Geht das auch anders? Wie bleibt man bei Kräften, auch wenn die Zeit lang wird?
Der Weinstock und die Reben
Jesus hat solche Situationen anscheinend kommen sehen. Und er hatte einen Rat. Mit einem Vergleich aus der Welt der Weingärtner hat er ihnen gesagt: „Ich bin der Weinstock und ihr seid die Reben. Wer in mir bleibt und ich in ihm, der bringt viel Frucht.“ (Joh 15, 5)
Ich bin keine Winzerin und musste mir das erst mal klar machen, wie er das meint. Jesus der Weinstock – soweit bin ich mitgekommen. Der Weinstock versorgt die Reben mit Wasser und Nährstoffen. Und auch der Geschmack der Trauben hängt mit dem Boden zusammen.
In der Sprache von Jesus sind die Reben etwas anderes als der Weinstock. Es hat ein bisschen gedauert, bis ich das verstanden habe. Die Reben, das sind die Zweige. Bei einem Spaziergang durch Weinberge kann man das sehen. Die Reben werden an Drähten befestigt, damit sie viel Sonne abbekommen. Die Reben leiten die Nährstoffe und das Wasser vom Weinstock zu den Früchten, den Trauben. Damit die prall werden, saftig, geschmackvoll und süß von der Sonne.
Auf einmal ist mir klar geworden: Es geht nicht darum, dass die Reben mehr werden, also mehr Zweige und Blätter. Das will Jesus mit seinem Vergleich sagen. Es geht um die Trauben. Damit viele den Saft und später den Wein genießen können, sollen die Trauben saftig und süß werden. Und das geht besser, wenn man die Nebentriebe ausgeizt. Die Reben reinigen, nennt Jesus das. Überflüssige Triebe und unnötiges Blattwerk entfernen, damit die Energie nicht in Ausläufer und Blätter, sondern in die Trauben geht.
Erstmal stillhalten
Ich finde, das ist ein guter Rat auch für mich, damit mir nicht die Kraft ausgeht. Ich darf mich nicht verzetteln, muss die Kräfte konzentrieren, die ich habe.
Aber wichtiger ist. Ich muss an der Quelle bleiben. An der Kraftquelle. Eine abgeschnittene Rebe, die wird trocken. Da wächst nichts mehr. Eine Rebe, die Frucht bringen soll, die muss am Weinstock bleiben „Wer in mir bleibt und ich in ihm, der bringt viel Frucht.“ Wie eine Rebe am Weinstock.
Und wie bleibt man am Weinstock? Wie bleibt man bei Jesus? Regelmäßig in den Gottesdienst gehen, beten, sich in der Kirche engagieren – hat Jesus das gemeint?
Wahrscheinlich kann das alles nicht schaden.
Aber Jesus sagt nicht: Nun reißt euch mal zusammen! Konzentriert euch. Gebt euch Mühe. Er redet nur vom „bleiben“. Bleiben hat so was Ruhiges. Nicht weglaufen. Nicht jeden Moment was anderes suchen und Neues ausprobieren. Bleiben. Wer bleibt, kann erst mal stillhalten und zusehen, was sich entwickelt. Wer bleibt, kann überhaupt hinsehen. Wahrnehmen, was wichtig ist. Für die Kinder zum Beispiel oder für die alten Eltern. Was brauchen die jetzt wirklich – und was ist erstmal gar nicht so nötig und kostet bloß Kraft? Ich erlebe: Wenn ich mich auf Wichtiges konzentriere und mich nicht verzettele – dann komme ich voran, mit dem, was ich tue. Dann mache ich gute Erfahrungen und vor allem: Dann reicht die Kraft, weil ich meine Kraft nicht unnötig verschwendet habe.
Gott lässt keinen allein
Bleiben heißt für Jesus aber auch: „Ich bleibe bei euch“. Gott lässt keinen allein, der Kraft braucht. Er schickt einen Menschen, der trösten kann. Einen, der Rat weiß. Vielleicht findet man ein paar Worte, die Mut machen. Einen Satz, der Hoffnung gibt. Ein bisschen Lob oder ein Dank. Und auf einmal kommt sie wieder, die Kraft. Und ich kann Frucht bringen, von der viele leben können.