Sendung zum Nachlesen
Jim Knopf ist der Held meiner Enkel und für meine Kinder war er es vor über 30 Jahren. Kein Wunder, er wird diesen Sonntag 60 Jahre alt. Am 9. August 1960 ist das Buch „Jim Knopf und Lukas der Lokomotivführer“ erschienen. Sogar ich selbst habe es als Grundschülerin schon von der Schulbibliothek ausgeliehen und war begeistert vom Jim und den anderen Bewohnern von Lummerland, der Insel mit zwei Bergen. Und natürlich von Emma, der Lokomotive.
Seither ist Jim noch immer der kleine schwarze Junge mit dem krausen Haar und dem roten Pullover, der mit seinem Freund, dem Lokomotivführer, Abenteuer erlebt. Dieser Lukas ist übrigens auch ziemlich schwarz, weil er den Ruß von der Dampflok Emma nicht mehr richtig abkriegt.
Im Zuge der Rassismusdebatte nach dem Tod des Schwarzen George Floyd durch Polizeigewalt in den USA sind auch die Bücher um Jim Knopf und Lukas wieder in die Diskussion geraten. Soll man sie den Kindern vorlesen, wo Jim doch an einer Stelle sogar „ein kleiner Neger“ genannt wird?
Jetzt heißt es in der Zeitung: „Jim Knopf wird leider noch zu oft gelesen!“ (1) Das Buch transportiere das Klischee eines lustigen, frechen schwarzen Kindes.
Ist das schlimm, frage ich mich jetzt? Ist Jim Knopf ein rassistisches Buch? Ein Buch, das Kinder zu Rassisten macht?
Natürlich gibt es Ausländerhass und Rassismus, auch in Deutschland. Das ist eine Schande. Und es ist eindeutig gotteslästerlich. Wir Christen glauben ja, dass Gott die Welt und alle Menschen geschaffen hat. Und er hat sie „sehr gut“ geschaffen. So war am Ende Gottes Urteil über seine Schöpfung. Wer die einen Menschen für weniger wert hält als andere, der stellt Gott in Frage, der alle gleichermaßen und alle gleich gut geschaffen hat: Nämlich sehr gut! Klar, Menschen unterscheiden sich. Aber nicht ihr Äußeres bestimmt ihren Wert und was sie sind. Sie unterscheiden sich durch das, was sie tun. Das ist oft gut – aber manchmal auch erschreckend schlecht.
Und Jim Knopfs Taten ermutigen Kinder, selbst mutig zu sein. Wie er zum Beispiel dem Scheinriesen Herrn Turtur begegnet und erlebt: Wenn man ihm näher kommt, dann wir er immer kleiner und am Ende ist er ein ganz normaler Mensch. Oder wie er Nepomuk, den freundlichen Halbdrachen tröstet. Die anderen Drachen wollen ihn nicht dulden. Aber Jim und Lukas helfen ihm, einen guten Platz zu finden, wo er leben kann. Jim Knopf macht den kleinen Lesern Hoffnung. Die Welt muss nicht böse bleiben. Sogar der böse Drache Frau Mahlzahn wird am Ende ein goldener Drache der Weisheit. Man muss sich ihm nur mutig entgegenstellen und Geduld haben!
Aber die Sprache, sagen Sie jetzt vielleicht. Auch Michael Ende verwendet in seinem Buch das Wort Neger, dass doch zu Recht schon lange nicht mehr gebräuchlich ist. Ja, das ist wahr. Einmal kommt das Wort vor. Aber ändert sich das Phänomen Rassismus, wenn man die Worte ändert? Wenn man Schwarze sagt, Farbige oder Afro-Amerikaner, kann das genauso abwertend gemeint sein.
Es gibt noch mehr Kinderbücher, in dem Schwarze eine Rolle spielen. Ich denke, man muss da genau unterscheiden. Sogar im Struwwelpeter, eigentlich ja ein Musterbeispiel für die düstere Pädagogik des 19. Jahrhunderts, werden die Lausbuben bestraft, die einen Mohren hänseln und ärgern. Das Wort „Mohr“ übrigens kommt wahrscheinlich von Mauren. Das waren die Bewohner von Mauretanien im südwestlichen Afrika. Ursprünglich war das einfach eine Herkunftsbezeichnung. So wie wir heute „Afro-Amerikaner“ sagen.
Aber wie ist das nun mit Jim Knopf? Kann ich meinen Enkeln das Buch weiter vorlesen?
Viele Kinder werden das Wort „Neger“ gar nicht mehr kennen. Meine Enkel kennen es bis jetzt nicht, glaube ich. Ich finde, Eltern und Erzieher könnten das Wort erklären und warum wir es heute nicht mehr sagen. Genauso wie sie den Kindern wahrscheinlich erklären müssen, warum die Lokomotive Emma eine Dampflok ist und nicht wie ein ICE aussieht.
Ich glaube, das werde ich tun, wenn meine Enkel mich fragen, was ein Neger ist. Und: ihnen von Gott erzählen, der alle Menschen gleich gut erschaffen hat.
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Literaturnachweis:
- https://www.zeit.de/hamburg/2020-07/rassismus-fruehbildung-kita-vorschule-paedagogik-christiane-kassama/komplettansicht
Es gilt das gesprochene Wort.