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Kanzler und Konklave
Behutsam über die Schwelle der Verantwortung
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09.05.2025 06:35
Jemand soll ein neues Amt antreten. In Berlin, in Rom oder anderswo. Was braucht er jetzt? Und was wünscht er sich?
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Einer steht an der Schwelle. Er soll ein neues Amt antreten. Es geht um richtig viel  Verantwortung. Schlottern ihm die Knie? Sieht er bleich aus? Er hätte Grund.

Es gibt viel, was davon abhält, nicht über eine solche Schwelle gehen zu können. Es gibt immer Argumente, die dagegenstehen. Äußere, innere. Der Gegenwind der eigenen Leute. Neid, Missgunst, Bösartigkeit. Die überzogenen Erwartungen der Gutgesinnten, von den Fans ganz zu schweigen. Die eigenen Komplexe, die Angst. Die gut begründete Furcht vor dem, was dir passieren kann, wenn du dich rauswagst. Ab da bist du der Öffentlichkeit ausgeliefert. Und sie wird nicht zimperlich sein.

Aber nun hat er das Amt übertragen bekommen und soll über die Schwelle gehen. Er soll die neue Aufgabe übernehmen und zeigen, was er kann.

Salomo ist noch jung – und auserwählt. Er soll König werden. Ein ganzes Volk leiten. Wie sein Vater David. Die Bibel erzählt: In der Nacht davor schläft Salomo schlecht und ringt mit Gott. Was braucht er, um über die Schwelle zu gehen? Um König zu werden?

Gott erscheint ihm im Traum. Er habe einen Wunsch frei, sagt Gott zu Salomo. Was wünscht er sich? Reichtum, Erfolg, Mehrheiten im Volk, gute Anwälte, falls etwas schiefläuft? Salomo sagt: Ein hörendes Herz. Das möge Gott ihm geben.

Ein hörendes Herz. Was wäre denn das Schlimmste, was ein Herrscher überhören könnte? Wenn seine Leute in Not sind. Wenn sie unter die Räder kommen und er sie nicht schützt, zum Beispiel. Wenn die Kinder Angst haben und zu leise ‚Hilfe‘ rufen. Wenn die guten Freunde nur die Augenbrauen hochziehen, aber nicht laut "Halt, Stopp!" sagen. Wenn er nicht merkt, wer die Opfer seiner Politik werden. Ein guter König guckt da hin.

Und Signale könnte er überhören, wenn ein Sturm aufzieht oder ein Gewitter droht. Wenn die Vögel bereits verstummen und sich die Insekten zurückziehen und gerade noch Zeit wäre, das Volk in Sicherheit zu bringen. Kannst du die Zeichen der Zeit deuten?

Mit einem hörenden Herzen geht es vermutlich langsamer, aber gründlich. Und vielleicht zeigt sich dann schneller, wer diejenigen sind, die wirklich etwas zu sagen haben. Was die sagen. Was die tun. Wo die stehen. Und es wächst die Fähigkeit, all das, was er mit seinen Sinnen einsammelt, in gute Politik zu gießen.

Ein hörendes Herz.

Salomo hat Angst zu versagen. Aus gutem Grund. Auch sein Vater war an einigen Stellen gescheitert. Er hatte schwer gefehlt. Salomo ist gewarnt.

Was braucht einer noch, der ein Amt antritt, um über die Schwelle zu gehen? Mut. Aber der kommt nicht, wenn man sich fürchtet. Oder doch? Mut kommt nicht, wenn die Furcht erst weg ist. Mut kommt in die Furcht. Gott kommt nicht zu denen, die sich zu sicher sind. Gott kommt zu denen, die ihn fürchten. Aus gutem Grund. Und er gibt ihnen, was sie für den nächsten Schritt brauchen. Mut. Eine gute Freundin. Emotionale Intelligenz.

Und die beinhaltet, dass sich Menschen in Machtpositionen verbinden können mit denen, die neben ihnen sitzen, die mit ihnen sind. Da muss keiner mit seiner Verantwortung allein bleiben. Denn so ist es doch auch: Gott schenkt Menschen, die echte Freundinnen und Freunde sind. Dann entsteht Teamwork. Und Teamwork schult die Fähigkeit, gut hinzuhören und wahrzunehmen. Auch sich selbst.

Später wird man ihn den weisen König Salomo nennen. Seine Amtszeit wird legendär werden. Die Urteile, die er spricht, legen Maßstäbe für viele kommende Generationen.

Allen, die gerade ein neues Amt antreten, in Berlin, in Rom und überall sonst, die den Schritt über die Schwelle verkraften müssen, die sich jetzt einarbeiten, ihnen allen wünsche ich ein hörendes Herz.

Es gilt das gesprochene Wort.

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