"Dass Wüsten blühen!"

St.-Stephani-Kirche Röblingen

"Dass Wüsten blühen!"
Gottesdienst-Live-Übertragung aus der St.-Stephani-Kirche in Röblingen
24.04.2022 - 10:05
Über die Sendung

Alles kann neu werden, alles kann sich ändern. Wüsten können zu bewässerten Gärten werden, wenn sich Menschen mit Gott auf den Weg machen. In der Bibel sind es oft Frauen, die diesen Wandel gestalten. Darüber predigt Pfarrerin Josephine Teske am Sonntag Quasimodogeniti.

 

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Was machst du, wenn du einfach nicht glauben kannst, dass sich etwas ändert?

Ja, was machst du denn dann? Wenn es unvorstellbar ist, dass der Wandel kommt. Oder schlimmer noch, wenn es sich zum Schlechteren wandelt. Wenn alle Erfahrung dafür spricht, dass es nicht besser wird. Was machst du dann?

 

Ich bin oft unentschlossen, ich gebe es zu. Ich stecke gern den Kopf in den Wüstensand. Das ist zuweilen sehr bequem. Ich höre die Welt und ihren Lärm nicht. Ich kann mich ganz dem Lärm in mir hingeben und mich gut verstecken. Irgendwann nur, da halte ich mich selbst nicht mehr aus. Und als Teil unserer Welt kann ich mich schlecht für immer vor ihr verbergen. So ist das nun mal.

Also sammle ich meinen Mut und wage einen Blick, in der Hoffnung, dass sich etwas ändern wird. Denn wie sollte ich sonst klar kommen mit mir und dieser Welt ohne die Hoffnung darauf, dass sich alles zum Guten wandeln kann.

 

Wüstenzeiten, so nenne ich sie. Vielleicht kennt ihr sie auch aus eurem Leben. Wenn nichts blüht. In den Beziehungen. Im Beruf. Wenn der Blick auf den ausgedörrten Boden körperliche Schmerzen verursacht. Wenn wir danach dürsten, das Leben in uns zu spüren und nicht nur zu funktionieren. Für Familie und Freundinnen. Für Erwartungen an uns.

Vielleicht kennt ihr auch Wüstenzeiten eures Glaubens. Ich hatte so eine Wüstenzeit. Ziemlich lange sogar konnte ich Gott in meinem Leben nicht spüren. Meine Gebete stießen auf taube Ohren, vermutete ich. Schrecklich war diese Zeit. Ohne Gott an meiner Seite fühlte es sich an wie ein Leben ohne hoffnungsvolle Zukunft und Sinn. Meine Glaubenswüste durfte irgendwann blühen, aber das ist eine andere Geschichte.

Vielleicht hörst du das jetzt und denkst: Ja, das kenne ich!

Dann höre Worte, die für dich in deiner Wüste geschrieben sind:

 

„Jubeln werden die Wüste und das trockene Land, jauchzen wird die Steppe und blühen wie die Lilie.“ Verspricht der Prophet Jesaja. Wüsten blühen und bringen die schönsten Geschöpfe hervor. Selbst in einer scheinbar lebensfeindlichen Welt! Ein großes Versprechen. Ich wünsch es dir so sehr. Dass das für Dich wahr wird.

Es reicht ein Tropfen vom Morgentau. Der sich in dem ersten Sonnenlicht glitzernd auf scheinbar totes Holz und Gras legt und zum Leben erweckt. Fast geheimnisvoll spendet er täglich Leben.

 

Wenn die Mittagshitze knallt, ist die Erfahrung vom Tau schon lange verdunstet. Es ist ja nun mal so: diese Welt ist kein Paradies. Wenn ich in mich umsehe dann denke ich sogar, die Welt gleicht wirklich einer Wüste. Wir sind in ihr ausgesetzt und nicht für das heiße Klima gemacht.

Aber: Wir sind zwar in sie hineingeworfen, doch ihr nicht hoffnungslos ausgeliefert. Es gibt Oasen im Alltag. Die können wir suchen. Die Nächte sind kalt. Aber die Morgen umso schöner. Dann zittert die Luft leise vom ersten Erwachen in uns. Und die Sonne geht auf. Einfach so. Ohne unser Zutun verändert sich die Welt und wird getränkt vom Wasser des Lebens. Unsere Welt blüht auf und für einen Moment öffnet sie sich und gibt ihre Schönheit preis. Dann ist es, wie damals, am Ostermorgen, als der Stein von dem Grab weggerollt war. In die Dunkelheit strahlt das Leben.

 

Wir suchen die Lilie in der Wüste. Wir suchen das Schöne im Hässlichen.

Während Millionen Menschen, Frauen, Alte, Kinder vor dem Krieg fliehen.

Und Männer, die nicht für Waffen gemacht sind, im Schützengraben während einem Großangriff in der Ostukraine liegen.

Erinnerungen bei denen, die Früher den Krieg erlebten, werden lebendig.

Die Angst kriecht in den Bauch und macht sich breit. Wir beten und hoffen, dass er enden möge, der unnütze, zerstörerische Krieg. Wir sehen die Bilder aus Mariupol und verzweifeln.

Und manchmal, da möchte ich mich davor verschließen und den Krieg nicht an mich heranlassen, um mich und meine Seele zu schützen.

 

Einfache Lösungen gibt es nicht. Wüste ist manchmal Verwüstung. Aber wenn ich den Kopf aus dem Wüstensand ziehe, sehe ich auch, wie Verwüstung sich zum Guten wandelt. Wie hier: Im alten Bahnhof von Röblingen. Wo Menschen Schutzsuchenden Geborgenheit schenken. Die Hand halten, wenn um 6.00 Uhr morgens die Nachrichten kommen. Trösten, Umarmen, Ermutigen. Wenn die Herzen der Röblinger:innen weich bleiben und offen für das, was ihnen begegnet. Wenn aus Fremden eine Familie wird und es keine Rolle spielt, wer woher kommt.

 

Damit wir nicht verzweifeln, müssen wir beides zusammenhalten: Den noch so kleinen Wandel zum Guten inmitten der Zerstörung sehen. Das Schöne im Hässlichen.

Dann hören wir die Worte, die für alle, die auf der Flucht sind geschrieben stehen:

 

„Jubeln werden die Wüste und das trockene Land, jauchzen wird die Steppe und blühen wie die Lilie.“

 

So verspricht es der Prophet Jesaja, der mich hoffen lehrt. Er kennt die Wüste, die echte  und die inneren Wüsten der Menschen. An den Steinen der Wege hat er sich Füße und Knie aufgeschlagen. In den Dörfern und Städten ist er Opfer von Ignoranz, Unglaube, verbalen Anfeindungen oder Misshandlungen geworden. Sein Leben ist Kampf für Gerechtigkeit. Er leidet unter der Verarmung und Ausbeutung der Mittel- und Unterschicht seiner Zeit an. Jesaja warnt vor den gefährlichen Nachbarn Jerusalems.

Auch wenn es keiner hören will: Sein Name allein ist ein Versprechen: Gott hat Rettung gebracht.

Ja! Gott will sein Volk unbedingt retten! Aber nicht zum Nulltarif. Davon erzählt uns der Prophet.

Das Gute an Propheten wie Jesaja ist, dass sie kein Blatt vor den Mund nehmen!

Sie sagen, was sie denken und vor allem: was Gott ihnen ins Herz legt!

Propheten reißen den Mund auf!

Propheten schreien die Ungerechtigkeit aus und prangern sie an.

Propheten sind nicht still.

Propheten erinnern uns daran, auf Gott zu vertrauen.

Propheten im eigenen Land wird selten geglaubt.

Aber Propheten schweigen nicht.

Propheten von heute sind oft erst 16 oder 17 Jahre alt.

Propheten von heute gehen freitags auf die Straße und kämpfen für die Zukunft.

Sie warnen uns. Sie bitten uns, auch um unseretwillen, um Veränderung.

Sie zeigen uns Lösungen auf. Aber auch das, was passieren könnte.

Sie fordern den Wandel im Wandel.

Propheten von heute geben sich nicht der Ohnmacht hin.

Wenn der Regen ausbleibt und nichts wachsen kann.

Lasst uns gut hinhören.

 

Damit wahr wird, was der Prophet im ersten Testament gerufen hat:

 

„Jubeln werden die Wüste und das trockene Land, jauchzen wird die Steppe und blühen wie die Lilie.“

 

Ehrlicherweise muss ich zugeben, dass ich nicht immer Kraft dafür oder auch Freude daran habe, Wandel zum Guten zu gestalten. Oder dafür zu kämpfen. Ich bin müde. Wie viele andere Frauen auch. Manchmal auch hoffnungslos. Und zuweilen auch so egoistisch, einfach nur an mein eigenes Leben zu denken.

Dann ist es aber auch so, dass ich mir als Christin in dieser Welt meiner Verantwortung bewusst bin. Was ist denn meine Rolle, frage ich mich dann. Selbstaufgabe, für Andere? In jeden Konflikt treten und die andere Wange hinhalten?

Ich weiß nicht.

 

Ich glaube, das ist nicht meine Christenaufgabe. Als Frau fühle ich mich in der Verantwortung, für diejenigen einzutreten, die es schwer haben in unserer Gesellschaft. So wie Amanda. Die nicht aufgibt und hilft, wenn sie um Hilfe gebeten wird. Die kämpft, auch wenn ihre eigenen Mittel knapp sind. Ich glaube, als Christin ist es meine Rolle, mitfühlend zu bleiben. Oder so wie Karola Rakete! Die das sterben im Mittelmeer nicht mehr akzeptieren konnte und handelte. Dafür die rechtlichen Konsequenzen trug, aber sich und ihren Überzeugungen treu blieb.

Und da ist die Mutter, die mit dem Baby auf dem Rücken in der Gluthitze Tansanias Reispflanzen setzt. Reihe für Reihe.

 

Ich weiß nicht, ob ich das auch kann. Oder ob es meine Aufgabe ist. Aber was ich weiß ist:

 

Ich bin ja nicht allein und Gott sei Dank eine unter Vielen. Wir können uns aufteilen und abwechseln, im Gestalten einer friedlichen und gerechten Zukunft für alle Menschen auf dieser Welt. Wir alle tragen Verantwortung! Die können wir uns gut teilen.

 

Am Anfang wie am Ende gilt: Wir müssen die Wüste nicht immer selbst zum Blühen bringen. Es liegt gar nicht in deiner oder meiner Hand. Was haben wir für ein großes Glück, Verantwortung auch abgeben zu können. An Gott, die größer ist als all das, was wir uns vorstellen können. Die den Rhythmus des Lebens bestimmt und uns ins Leben geliebt hat. So, wie wir sind. Wir dürfen abgeben! An Gott, deren Kraft uns verwandeln kann, deren Kraft gerade in den Schwachen mächtig ist.

 

An Gott, die uns mit dem Licht des Ostermorgens zusagt:

 

Du bist ein neuer Mensch in diesem Christus! Du kannst neu werden. Immer und immer wieder. Mit ALLEM was du machst und bist! Das ist der Wandel! Denn das ist die Auferstehung.

Es braucht nicht viel von seinem Morgentau in deiner Wüste. Damit du wissen kannst: Ich bin am Leben! Der Tau ist wie ein Segen. Er richtet dich auf und er lässt dich erkennen. Jesus Christus ist der Tau auf deinem Haupt. Du bist wie eine Lilie in den Bildern des Jesaja.

 

Und für unsere christliche Gemeinschaft, die wir in der Kirche sind, gilt: Es wird blühen. Weil die Kirche Christi für alle ist! Ja, was soll sie denn anderes sein als eine Oase, ein bewässerter Garten, wenn wir sie alle gemeinsam gestalten mit unseren eigenen Farben. Und wenn viele Frauen klug und stetig diesen Garten pflegen. Bunt und kräftig strahlen wir dann in die Wüstenwelt.

Sie wird jubeln die Wüste. Und jauchzen werden wir Kinder Gottes. Blühen wie die Lilien werden People of Colour. Queere und Transgender. Frauen, Männer, Kinder und Alte.

In diesem Christus!

 

Und der Friede Gottes, der höher ist als all unsere Vernunft, bewahre unsere Herzen und Sinne. In Jesus Christus, Amen.

Es gilt das gesprochene Wort.