Jugendkirche in der Lutherkirche Hamm
Von Zukunftsträumen und Gottvertrauen
Live-Übertragung aus Jugendkirche, Hamm
04.06.2023 10:05
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Predigt zum Nachlesen:

Katrin Berger:
Ich bin eine Träumerin. Als Kind, als Jugendliche, als Studentin und auch noch als junge Pfarrerin habe ich manchmal mitten am Tag und oft abends im Bett von meiner Zukunft geträumt und mir vorgestellt, was ich mir für mein Leben wünsche. Ich glaube, das hat niemand bemerkt und ich habe es bestimmt nie bewusst gezeigt, denn irgendwie waren meine Träume auch immer mein Geheimnis, meine ganz eigene Welt.
In den letzten Jahren habe ich aufgehört zu träumen. Langsam, beinahe unmerklich ist mir das Tagträumen Stück für Stück abhandengekommen. Manche Träume haben sich erfüllt, manche haben sich verändert, für manche scheint es zu spät. Auch die Corona Pandemie hat mir das Träumen abgewöhnt. Drei Jahre Leben auf kurze Sicht, bis zur nächsten Welle, zur nächsten Schutzverordnung, zur nächsten Impfung oder Infektion. Drei Jahre Krisenmodus, irgendwie die nächsten Tage gut durchkommen war das Ziel. Mir das Ende der Pandemie vorzustellen und Wünsche oder Pläne für die Zeit danach zu entwickeln, habe ich mich schnell nicht mehr getraut. Die Zeit des Träumens war vorbei.

Dorothea Altena:
An dem Tag am See hat Petrus sich bestimmt nicht erträumen können, dass er den Fischfang seines Lebens macht. Ich stelle mir vor, dass er schon lange nicht mehr von vollen Netzen, von Arbeit, die sich lohnt, von Glück, Erfolg, von Wundern träumt.
Wenn ich an Petrus denke, wie er an dem Tag die Netze reinigt, dann sehe ich jemanden vor mir, der nur von Tag zu Tag denkt, von Nacht zu Nacht hofft, etwas zu fangen, um überhaupt leben zu können.
Und doch - muss er nicht auch mal wie jeder Fischer von einem großen Fang geträumt haben? So wie jeder und jede von uns mal davon geträumt hat, zum richtigen Zeitpunkt am richtigen Ort zu sein, oder einen großen Gewinn zu machen, ein wunderbares Geschenk zu bekommen, die lang ersehnte Liebe zu finden?

Oder gehört es einfach zum Erwachsensein dazu, nicht mehr zu träumen?
Ich bin jetzt 21 und auch ich träume nicht mehr viel. 2020 habe ich Abi gemacht und dann sofort angefangen, das zu studieren, wofür ich brenne. Aber für den Weg zum Traumberuf habe ich keine konkreten Vorstellungen. Als ich noch zur Schule gegangen bin, war das noch anders. Da habe ich immer wieder die unterschiedlichsten Optionen für mich und mein Leben in Gedanken durchgespielt. Jetzt genieße ich eher die vielen Momente, die ich erleben darf und lasse alles auf mich zukommen. Aber ich male mir nicht mehr im Voraus aus, was mich wann wo erwarten könnte.

Mir fehlt es zu träumen. Ich merke, ich brauche das. Wenn ich nicht träume, bin ich nicht wirklich ich, dann bin ich nicht wirklich lebendig. Dann hat mein Leben eher mich im Griff, als ich mein Leben.

Katrin Berger:
Ich bin überzeugt - Träumen kann man so lange, wie man von einer Zukunft ausgeht, mag sie auch noch so kurz sein. Träumen hat für mich nichts mit dem Alter zu tun. Vielleicht eher damit, wie zufrieden man sich gerade fühlt und was man für möglich hält. Und das ist ja so verschieden wie wir Menschen.
Einer träumt von einer Weltreise, eine vom eigenen Pferd. Einer will noch den nächsten Karriereschritt machen, eine andere will mehr Zeit für sich, ihre Hobbies, ihre Freunde. Einer träumt schon vom Ruhestand und will endlich reisen, eine anderer träumt davon, noch ganz lange weiterzuarbeiten in seinem geliebten Beruf. Bei einem Paar ist die Jüngste aus dem Haus, sie träumen von Freiheit und neu anfangen. eine träumt davon, einmal die Hauptrolle zu spielen, ein anderer möchte noch einmal das Meer zu sehen, und wie viele träumen von der  großen Liebe.

Wie geht es Ihnen mit dem Träumen? Reisen Sie manchmal in Gedanken in die Zukunft? Haben Sie vielleicht ganz ähnliche Träume wie die Jugendlichen? Stellen Sie sich vor, Sie haben viel Spaß und Menschen, die Sie lieben? Träumen von Aufgaben und Arbeit, die Sie erfüllen und ein gutes Leben ermöglichen? Oder ist das Träumen bei Ihnen auch schon eine Weile her und eigentlich halten sie Träumer für kindisch, verrückt und sowieso, es gibt doch so viel anders zu tun?

 

Lied: A million dreams
They can say, they can say it all sounds crazy
They can say, they can say I've lost my mind
I don't care, I don't care, so call me crazy
We can live in a world that we design

Sprecher (Übersetzung):
Sie können sagen, dass sich das alles verrückt anhört.
Sie können sagen, dass ich meinen Verstand verloren habe.
Es ist mir egal, dann nenn mich eben verrückt.
Wir können in einer Welt leben, wie wir sie entwerfen.

 

Katrin Berger:
Mögen manche Träume etwas verrückt, unerreichbar, phantastisch und unrealistisch sein - ich glaube, von unserer Zukunft zu träumen, ist unsere menschliche Superkraft. Denn wenn wir träumen, benutzen wir alles, was uns als Menschen ausmacht. Wenn wir träumen, treffen unsere Erfahrungen aus der Vergangenheit auf unsere Phantasie, unsere Wünsche und Gefühle. Wenn wir träumen, sind wir in unserem ganz eigenen Film. Wir schreiben das Drehbuch, führen die Regie und spielen die Rolle unserer Wahl. Ganz egal, ob mit 12 oder 21, mit 40 oder 81 Jahren. Träumen macht Spaß und kostet nichts. Dafür können wir ohne Risiko allein mit unserer Vorstellungskraft unzählige Möglichkeiten unserer Zukunft durchleben. Je detaillierter, je ehrlicher und realistischer wir uns das Erreichen unserer Ziele, aber auch den Weg dorthin mit seinen Herausforderungen vorstellen, desto wertvoller können wir diese Superkraft nutzen, um Entscheidungen zu fällen. Träumen ist wie Leben auf Probe.

Dorothea Altena:
Ich glaube, Gott hat uns das Träumen und die Phantasie gegeben, damit wir herausfinden, was wir wollen und was nicht. Wenn wir darüber nachdenken, welche Welt wir selber brauchen, und wie sie so wird, wie wir sie uns wünschen: dann wird sie erst zu UNSERER Welt. Ganz so, wie es in dem Lied heißt:

“Wir können in einer Welt leben, wie wir sie entwerfen.”
In meiner Traumwelt kann ich auch noch in dreißig Jahren leben, ohne das Gefühl haben zu müssen, den folgenden Generationen noch mehr Katastrophen zu hinterlassen, die nicht mehr aufzuhalten sind.. Ich träume von einer Welt, in der Gerechtigkeit für alle mehr zählt als der eigene Profit. Ich träume von einer Welt, in der wir uns gegenseitig dabei unterstützen, unsere Lebensziele zu verwirklichen und nicht nur danach streben, von allen der oder die Beste zu sein. Unsere Träume können uns den Mut machen, den wir brauchen, um die Welt um uns herum mitzugestalten. Mit der Fähigkeit, zu träumen, hat uns Gott die Möglichkeit geschenkt, unsere ganz persönlichen Ideen einzubringen, wenn es darum geht, die Zukunft unserer Welt zu gestalten.

 

Lied: A million dreams
Cause every night I lie in bed
The brightest colors fill my head
A million dreams are keeping me awake
I think of what the world could be
A vision of the one I see
A million dreams is all it's gonna take
A million dreams for the world we're gonna make

Sprecher (Übersetzung):
Denn jede Nacht, wenn ich im Bett liege,
füllen die buntesten Farben meinen Kopf.
Eine Million Träume halten mich wach.

 

Dorothea Altena:
Meine Träume sind nicht immer bunt, manchmal sind sie auch schwarz-weiß. Dann setzt mich etwas unter Druck und ich spüre all die Erwartungen, die andere an mich haben. Deshalb wünsche ich mir Millionen von Träumen: welche, die von Anfang an in bunten Farben erstrahlen und welche, die erstmal farblos erscheinen. Als Regisseurin meiner Träume kann ich dann die Dinge, die mir Angst machen und mich zweifeln lassen, von grau zu bunt färben.

So kann ich durch meine Träume frei werden von den festen Erwartungen, die andere an mich haben. Das macht mir Mut, denn nur so  fange ich an, meinen Film zu drehen, mein Leben zu leben  und versuche nicht nur, die Rolle zu spielen, die andere für mich möchten.

Trotzdem will ich mit anderen zusammen leben – und auch gemeinsam träumen.
Deswegen wünsche mir , dass es in unserer Welt mehr Gespräche miteinander statt übereinander gibt. Gespräche, in denen wir offen über das reden können, wovon wir träumen, ohne gleich als “zu unrealistisch” abgestempelt zu werden.
Immer wieder begegnen mir Situationen, in denen Menschen von anderen sofort in Schubladen gesteckt werden. Dann sind die Vorurteile größer als das Interesse an der anderen Person.
Ich glaube, dass sich das ändern könnte, wenn wir mehr über das in Austausch kommen, was uns bewegt und ausmacht. Deshalb träume ich davon, dass es irgendwann egal wird, wie alt eine Person ist, woher sie kommt, was sie glaubt, wen sie liebt – sie sollte immer die Möglichkeit haben, sich mit ihren Wünschen, Ideen und Lebenszielen in unsere Gesellschaft einzubringen.
Ich träume davon, dass wir dem weniger Beachtung schenken, was wir im Vorfeld über eine Person gehört haben. Ich träume davon, dass wir uns selber ein Bild von unseren Mitmenschen machen und ihnen mit offenen Ohren und Herzen begegnen.

 

Sprecher (Übersetzung):
Ich denke darüber nach, wie die Welt sein könnte.
Eine Vision der Welt, die ich sehe.
Eine Million Träume ist alles, was es dazu braucht.
Eine Million Träume für die Welt, die wir gestalten werden.

 

Katrin Berger:
So zu träumen heißt für mich, auf Gott zu vertrauen. So hoffnungsvoll in die Zukunft zu schauen, ist für mich ein Ausdruck von Glauben. So hoffnungsvoll die Zukunft zu planen ist unsere Aufgabe.  Und es funktioniert: Wenn wir uns gemeinsam über unsere Träume austauschen und darüber nachdenken, wie die Welt sein könnte fange ich an, mich zu freuen und zuversichtlich zu werden, dass ich etwas davon in Zukunft erleben darf.

Wie gesagt: Ich habe jetzt lange nicht mehr geträumt und stehe oft ratlos vor dem großen Schicksal unserer Erde. Aber ich merke, wie Hoffnung in mir keimt: Es könnten unsere Träume sein,  die uns den großen Fang, die gemeinsamen Ideen bringen werden, wie wir unser Leben und damit unsere Welt verändern können– im Kleinen und im Großen.

 

Lied: A Million drams
There's a house we can build
Every room inside is filled
With things from far away
The special things I compile
Each one there to make you smile
On a rainy day

Sprecher (Übersetzung)
Da ist ein Haus, das wir bauen können,
jeder Raum darin ist gefüllt mit Dingen von weit her
Mit besonderen Sachen, die ich sammle, damit jede einzelne dich an Regentagen zum Lächeln bringt.

 

Dorothea Altena:
An Regentagen möchte ich manchmal gerne fliehen. Dann möchte ich einfach nur meinem Leben und der ungewissen Zukunft entkommen. Wenn ich in solchen Momenten keine Wünsche mehr habe und denke, dass es nichts mehr bringt, Ziele zu verfolgen, dann hilft es mir,  Erinnerungen an die Zeiten auszugraben, in denen in meinem Leben die Sonne hell geschienen hat. Erinnerungen daran, dass es sich schon mal gelohnt hat, zu träumen. Erinnerungen an die Träume, die sich bisher für mich erfüllt haben. Dann wächst in mir wieder Vertrauen darauf, dass es sich lohnt, Träume zu haben. Dann schöpfe ich auch an Regentagen Mut, immer wieder das Träumen zu wagen. Denn ich vertraue darauf: so wie Gott damals bei mir war, als meine Träume Realität wurden, so wird er es auch jetzt sein.

 

Sprecher (Übersetzung):
Sie können sagen, dass ich meinen Verstand verloren habe.
Aber ist mir egal, ob sie uns verrückt nennen,

 

Katrin Berger:
Verrückt, was in der Bibel steht:
Dass Jesus mitten am Tag zu Petrus sagt:
“Fahre hinaus, wo es tief ist, und werft eure Netze zum Fang aus!”
Und Petrus ihm antwortet: “Meister, wir haben die ganze Nacht gearbeitet und nichts gefangen; aber auf dein Wort hin will ich die Netze auswerfen.”
LK 5, 4f.
Und die Fischer daraufhin so viele Fische fangen, dass ihre Netze reißen.
Lk5,6.

Verrückt, was Jesus sagt. Verrückt, was Petrus tut. Verrückt, diese vielen Fische mitten am Tag. Noch verrückter ist aber, was danach geschieht.
Petrus bleibt kein Fischer. Nach diesem Erfolg wechselt Petrus den Beruf, ändert sein Leben. Und zwar so, wie er sich das vermutlich nie hat träumen lassen. Monatelang zieht Petrus mit Jesus und den anderen übers Land und erlebt, was es heißt, wenn Gott Mensch und dein Freund ist. Er ist dabei, wenn Jesus lehrt, predigt, heilt, wenn plötzlich das Brot für alle reicht. Petrus wird einer der vielen Menschen in der Bibel, die erzählen, wie wunderbar die Sache mit dem Vertrauen ist. Und wie wackelig. Petrus ist der, der erst übers Wasser gehen kann und dann doch versinkt, als er nicht mehr auf Jesus sieht, sondern auf die großen Wellen um ihn herum. (Mt 14,29) Petrus ist der, der Jesus Treue bis in den Tod schwört und sie sofort bei der nächsten Gelegenheit bricht (Mk 14,31f). Petrus ist der, der immer und immer wieder Vertrauen zu Jesus wagt und verliert und wiederfindet.

Ich weiß nicht, ob Petrus ein Träumer war. Wenn, dann wurden seine Träume vermutlich meistens durch Jesus übertroffen und oft auch durchkreuzt. Das, was auf Golgatha geschah, Jesu Tod am Kreuz, das kann sich keiner wünschen und das, was danach geschah, war und ist so unvorstellbar wie Gott selbst.

Was ich aber weiß ist, dass auch ich unbedingt wieder so verrückt sein möchte, zu träumen. Voller Vertrauen auf Gott und unsere Zukunft. Denn ich glaube, dass Gott uns in unseren Träumen begegnet, sie uns sogar in unser Herz legt. Nicht immer, nicht in jeder Tagträumerei, aber mir fallen nicht viele andere Wege ein, wie Gott sonst von Dingen der Zukunft zu uns sprechen kann.
OK, mit klarem Verstand und einem Blick in die biblischen Geschichten und Visionen sollte man gelegentlich prüfen, ob da wirklich Gott am Werk war. Aber ich glaube und hoffe, es gilt, was Gott beim Propheten Joel verspricht:

 

Sprecherin:
Ich will meinen Geist ausgießen über alle Menschen. Eure Söhne und Töchter sollen weissagen, eure alten Menschen sollen Träume und eure jungen Menschen sollen Visionen haben.

Lied: A Million dreams
However big, however small
Let me be part of it all
Share your dreams with me
You may be right, you may be wrong
But say that you'll bring me along
To the world you see
To the world I close my eyes to see
I close my eyes to see

Sprecher (Übersetzung):
Egal wie groß, egal wie klein: lass mich ein Teil von alldem sein. Teile deine Träume mit mir! Du magst Recht haben, du magst falsch liegen. Aber sag, dass du mich mitnehmen wirst, in die Welt, die du siehst. In die Welt, für die ich meine Augen schließe, um sie zu sehen

 

Katrin Berger:
Ich träume davon, dass ich wieder träume. Nicht nur bewältige und abarbeite und durchhalte, sondern, dass ich wieder spielerisch und leicht an die Zukunft denke. Ich möchte wieder volles Vertrauen und große Hoffnung haben. Und dazu brauche ich das Träumen, denn nur so finde ich zu meinem Herz und immer wieder auch zu Gott. Träumen bedeutet für mich, gedanklich meine Netze auszuwerfen: an verschiedensten Stellen, zu verschiedensten Zeiten und auf verschiedenste Arten, um nachzuspüren, wo sich am meisten Begeisterung und Liebe finden lässt. Wo das Leben und die Liebe pulsiert. Wo das geschieht, will ich meine ganze Kraft einsetzen, in meinem kleinen Leben, aber auch in der Kirche und in dieser Welt. Ich wünsche mir, dass wir alle mehr träumen. Dass wir unsere Superkraft nutzen und herausfinden, was wirklich wichtig ist, was für uns wirklich zählt. Ich träume davon, dass wir nicht nur auf unsere eigenen, sondern auch auf die Träume der jungen und alten, der bekannten und fremden Menschen hören und darauf vertrauen, dass uns darin Gott begegnet – und die Welt, wie sie sein könnte.

Amen

 

Es gilt das gesprochene Wort.

Dlf Gottesdienst