Das Wort zum Sonntag: "Der liebevolle Blick auf meine Kompromisse"
Pfarrer Dr. Wolfgang Beck
14.04.2012 22:10

 

Liebe Zuschauerinnen und Zuschauer, ich muss gestehen, ich bin nicht konsequent. Ich kaufe zu selten fair gehandelte Waren ein. Ich fahre zu wenig Fahrrad. Ich mache Kompromisse in meinem Leben, selbst dort, wo ich eindeutig sein könnte.

 

Vor Kurzem etwa beobachtete mich zufällig eine Freundin im Supermarkt. Ich hatte die Bio-Bananen rechts liegen lassen und mich von den knallgelben Bananen im Eingangsbereich verführen lassen. Da kam ein Spruch, der mich leicht provozieren kann: "Gerade du müsstest doch eigentlich ...." Da kann ich nur brummend antworten: "Stimmt, du hast Recht! – Eigentlich."

Und ich bin wieder einmal erinnert an die vielen kleinen Kompromisse, die ich in meinem Leben mache. Sie ärgern mich, weil ich von Menschen fasziniert bin, die konsequent sind und eindeutig.

Das geht sicher vielen so, gerade auch im religiösen Bereich. Da haben Gruppen Zulauf, die sich durch große Eindeutigkeit und Konsequenz auszeichnen. Kompromisse gelten ihnen als Schwäche.

 

Egal, ob Piusbrüder, ob evangelikale Gruppierungen oder muslimische Salafisten, denen wir in diesen Wochen in den Fußgängerzonen begegnen können: Sie alle haben mehr gemeinsam, als ihnen wahrscheinlich lieb ist: Vor allem dieses Bemühen um größtmögliche Eindeutigkeit. Alle Kraft wird da hinein gesetzt, dass das Leben völlig übereinstimmt mit dem, was gepredigt wird. Das beeindruckt mich manchmal, und daneben sehe ich mit meinen Kompromissen meist recht schwach aus.

 

Vielleicht fasziniert mich deshalb eine Erzählung aus dem Alten Testament der Bibel. Da wird von dem Propheten Elija berichtet, dass er in einen Konflikt mit den sogenannten Baals-Priestern gerät, also Angehörigen einer anderen Religionsgemeinschaft. Wieder einmal geht es um die Frage nach Wahrheit und darum, wer den richtigen Gott anbetet. In dieser schwierigen Situation macht Elija einen aberwitzigen Vorschlag: Gott soll entscheiden. Beide Gruppierungen sollen beten, sollen ihre Opfer darbringen, sollen tun, was sie nur können. Doch am Ende sollen nicht sie, sondern Gott entscheiden.

 

Dabei ist die Entscheidung am Ende für mich gar nicht so wichtig. Das Wichtige ist, dass die Menschen hier Fragende bleiben. Sie ziehen die Antwort, die Gott zusteht, nicht an sich.

Das ist genau das Gegenteil dessen, was uns bei Fundamentalisten begegnet. Denn die lassen in der Regel keine Fragen zu, rechnen nicht damit, dass sie sich von den anderen noch etwas sagen lassen können, lassen sich nicht irritieren. Und so schwach ich neben ihnen mit all meinen Kompromissen vielleicht aussehe, ich weiß zumindest, ich lasse mich wenigstens anfragen und irritieren. Das ist nicht so wenig.

 

Und es erinnert mich an einen Hinweis, den mir ein älterer Seelsorger einmal mit auf den Weg gegeben hat. Er meinte: "Wenn du die Menschen lieben möchtest, musst du ihre Kompromisse und ihre kleinen Schummeleien lieben. Du darfst sie nicht nur tolerieren. Du musst sie lieben. Denn sie machen das Leben aus und nehmen ihm die Härte."

 

Ich wünsche Ihnen auch solch' einen liebevollen Blick auf die Kompromisse, die eigenen, wie der anderen – und einen gesegneten Sonntag!

 

 

Zur Stellungnahme des Medienbeauftragten der EKD, OKR Markus Bräuer

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