Das Wort zum Sonntag: Hier geht ein Mensch!
Pfarrer Michael Broch
16.02.2013 22:40

Die überraschende Nachricht am vergangenen Montag: Papst Benedikt XVI. tritt zurück. In kürzester Zeit hat das ein weltweites Medienecho ausgelöst. Und die fast einhellige Meinung war: Respekt, dass er den Mut zu diesem Schritt aufbringt.

 

Mir ist dabei aufgefallen, dass die Rücktrittserklärung Benedikts sehr viel mit der beginnenden Fastenzeit zu tun hat. Fasten nach christlichem Sinn heißt auch: Ich halte inne. Ich besinne mich. Ich höre in mich hinein. Und genau das hat der Papst getan. Immer wieder hätte er sein Gewissen vor Gott geprüft, bevor er sich zum Rücktritt entschieden hatte. Innehalten und sich besinnen, welcher Papst der Kirche in einer modernen und säkularen Welt Orientierung geben könnte – das wünsche ich den Kardinälen für das bevorstehende "Konklave", für die Wahl des neuen Papstes.

Benedikt XVI. wollte eher an alten Traditionen festhalten, sie bewahren, als dass er offen war für notwendige Reformen. Mit seinem Rücktritt macht er möglicherweise einem neuen, vielleicht jüngeren Papst Platz, der das schafft, was er nicht konnte und wollte.

 

Deshalb verbinde ich mit dem Rücktritt von Papst Benedikt XVI. meine Vision von Kirche: Ich wünsche mir, dass meine katholische Kirche den Mut aufbringt und sich durchringt zu tiefgreifenden Reformen im Geiste Jesu: Dass die Kirche offen, bescheiden, mitfühlend gerade auch auf die Menschen zugeht, die anders leben, als es offiziell-kirchlichen Vorstellungen entspricht. Ich denke an wiederverheiratete Geschiedene oder an homosexuelle Partnerschaften. Ich wünsche auch, dass sich die Kirche öffnet für demokratische Strukturen vor Ort. Und wegkommt vom strengen römischen Zentralismus. Ich wünsche mir, dass meine Kirche bereit ist zur Gleichstellung von Frau und Mann in allen Bereichen. Und dass sie ernsthaft darüber nachdenkt, ob der Pflichtzölibat für Priester wirklich dem Evangelium Jesu entspricht und noch zeitgemäß ist.

 

Ich wünsche mir mehr Ökumene. Dass alle Kirchen aufhören, ihre Unterschiede mit großem Aufwand zu verwalten. Dass sie nicht krampfhaft an ihren Hausordnungen einer geschlossenen Gesellschaft festhalten. Dass sie mit Respekt voreinander miteinander reden. Vor allem in Bescheidenheit vor Gott. Gott allein ist die Wahrheit. Diese Wahrheit besitzt keine Kirche. Was die Kirchen bis heute trennt, ist nicht die Wahrheit Gottes, sondern die verschiedenen Deutungen und Zugänge zu dieser Wahrheit.

 

Darüber sollten die Kirchen miteinander reden. Und ich bin überzeugt, das geht am besten dann, wenn sie sich gemeinsam auf Jesus und seine Frohe Botschaft zurückbesinnen und fragen: Was würde er heute sagen und tun? Das wünsche ich auch dem neuen Papst, dass er jenseits aller dogmatischen, konfessionellen, kirchenrechtlichen Grenzen immer wieder fragt: Was würde Jesus heute tun, wie würde er handeln?

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