Sendung zum Nachlesen
Für einen Pfarrer ist es ein doch recht ungewöhnlichen Arbeitsplatz. Als Militärseelsorger habe ich mein Büro in einer Kaserne. Dorthin kommen Soldaten, die Fragen und Sorgen haben. Ich mache das schon seit ein paar Jahren und bin von Anfang an immer wieder überrascht, wie viele dieses Angebot nutzen. Solche Gespräche führe ich fast täglich. Und ich merke, wie sehr diese Menschen es schätzen, dass da jemand ist, der ihnen zuhört, der einfach für sie da ist. Jemand der nicht in die militärische Hierarchie eingeordnet werden kann und von dem sie wissen, dass er es für sich behält, was ihm anvertraut wird. Dann gibt es noch Rüstzeiten, den Lebenskundlichen Unterricht und natürlich feiern wir auch Gottesdienste. Diese finden aber nicht in einer Kirche, sondern in unserem kleinen Andachtsraum in der Kaserne statt. Dort gibt es in diesen Tagen auch einige Adventsfeiern.
Vor zwei Jahren hatte ich bei einer solchen Adventsfeier eine neue Gruppe von Soldaten zu Gast. Manche von ihnen hatte ich vorher schon einmal gesehen, so richtig hatten wir aber noch nicht miteinander zu tun. Jedenfalls war keiner von ihnen bei den regelmäßigen Andachten mit dabei. Schon bei der Begrüßung an der Tür merkte ich: Die meisten von ihnen sind unsicher. Sie dachten wohl: Adventsfeier ist ja vielleicht auch ganz schön, aber das mit Kirche und so… Und dann schienen sich ihre Befürchtungen zu erfüllen. Ich hörte wie einer zum andern sagte: "Oh! Guck mal. Auf unsern Plätzen liegen Bibeln. Nicht dass wir hier beten müssen!" Was da aber auf den Stühlen in unserem Andachtsraum lag, das waren Liederbücher zum Advent. Zur Begrüßung griff ich diese Situation auf und meinte, dass sie wahrscheinlich schon mitbekommen hätten, dass es sich nicht um Bibeln handelt und wir jetzt aus den Liederbüchern singen werden. Da merkte ich, dass es einigen im Raum wahrscheinlich doch lieber gewesen wäre, hätten sie auf ihrem Platz eine Bibel vorgefunden. Dann hätten sie wenigstens nicht singen müssen.
Beim ersten Lied taten sie sich ein wenig schwer. Der Gesang war spärlich. Mit der Zeit aber wurde er zwar stärker. Am Ende der Adventsfeier hielten dann aber immer noch einige beim Singen das Liederbuch hoch vor das Gesicht, um ihr Lachen oder die eigene Unsicherheit zu verbergen.
Im vergangenen Jahr kam die gleiche Truppe wieder zu einer Adventsfeier in unseren Andachtsraum. Diesmal wussten sie, was sie da für Bücher zu erwarten hatten. Der Gesang war von Anfang an kräftiger. Es war eine schöne Stimmung. Die Unsicherheit war für mich nicht mehr so spürbar wie im Vorjahr. Und nicht nur die Soldaten, auch ich fühlte mich dieses Mal wohler…
Als es dann jetzt in den letzten Wochen auf den Advent zuging, traf ich immer mal wieder einen aus dieser Truppe. Meist sagten sie, dass sie sich schon wieder auf die "Weihnachtsfeier" freuen würden. So ist es nun mal. Für viele fängt Weihnachten mit dem 1. Advent an. Für manche sogar schon vorher, wenn der Weihnachtsmarkt in der Woche vor dem ersten Advent seine Tore öffnet. Wenn ich ehrlich bin, wir haben in den Adventsfeiern der letzten Jahre auch schon Weihnachtslieder gesungen. Obwohl ich es versucht habe, deutlich zu machen, was Advent bedeutet.
Nächste Woche sind sie wieder da. Und ich überlege, ob ich nicht nur mit ihnen Weihnachtslieder singen werde, sondern auch schon einmal die Weihnachtsgeschichte vorlese. "Es begab sich aber zu der Zeit…" Das werde ich nicht für mich behalten. Und vielleicht kommt die Weihnachtsgeschichte bei dem einen oder anderen im Advent schon an. Denn es ist alles andere als peinlich, Anfänger, ein Kind im Glauben zu sein. Und eigentlich der einzig richtige Weg. Das steht sogar so in der Bibel. Vielleicht lege ich ja doch noch eine auf die Plätze. Bei der nächsten Adventsfeier…
Es gilt das gesprochene Wort.