Predigt zum Nachlesen
Gnade sei mit euch und Friede von dem der da ist und der da war und der da kommt.
Während wir hier friedlich sitzen, tobt gerade weit unter uns ein Kampf zwischen Robotern und Klonen. In einem Tunnel, der von Europa bis New York reicht…
Das hat letzte Woche der Musiker Xavier Naidoo in einem Video behauptet.
„O Herr, schmeiß Hirn vom Himmel!“ Das, liebe Gemeinde, sagt ein Freund von mir gerne, wenn irgendwo die Meinungen und Kommentare mal wieder völlig absurd jegliche Logik und Vernunft vermissen ließen.
Ein bisschen gediegener hat es der Liederdichter Friedrich Spitta vor fast 200 Jahren ausgedrückt. In seinem Pfingstlied bittet er:
O komm du Geist der Wahrheit und kehre bei uns ein – verbreite Licht und Klarheit, verbanne Trug und Schein – gieß aus dein heilig Feuer, rühr Herz und Lippen an…
O ja, liebe Gemeinde, das wäre gut, wenn jetzt eine Himmelsmacht einigen Bürgerinnen und Bürgern etwas gesunden Menschenverstand schicken würde – Licht und Klarheit sollen bitte in die skurrilen bis gefährlichen Gedanken, die in den Köpfen mancher Menschen geistern und in sozialen Netzwerken wie auf Demonstrationen nach außen getragen werden.
Egal, ob es um die Diskussion über die Pflicht zum Mundschutz geht, oder um die Sorge, es könne zu viel geimpft werden, meistens mündet es in der Idee, dass unsere Regierung sich all die Einschränkungen nur ausgedacht hat, damit sie uns besser überwachen - und weitere Einschränkungen unserer persönlichen Freiheit schon mal vorbereiten kann.
Obwohl wir in unserer informierten und aufgeklärten Gesellschaft viele Informationen vom anderen Ende der Welt in Echtzeit bekommen können, sind wir offenbar schnell überfordert, wenn Dinge geschehen, die wir vorher nicht für möglich gehalten hätten.
In den vergangenen Wochen mussten wir erleben, wie plötzlich vieles ins Wanken geriet, was wir in allen vergangenen Jahren für selbstverständlich gehalten haben: Reisen wann und wohin wir wollen, Feiern mit Familien und Freunden, große Gottesdienste, Konzerte – ach, Sie wissen ja selbst, was Sie am meisten vermissen und wo Ihr Herz schwer wird, wenn Sie sich fragen: Wann kann ich das wieder erleben?? Wird es überhaupt wieder so werden wie früher – und wenn ja, wann??
Uns darum kommen wir an unsere Grenzen. Körperlich und seelisch. Müde und kaputt von allem, was wir bedenken und tun müssen oder eben nicht tun können.
Das tragen wir alle in unterschiedlicher Weise.
Manchen machen die Folgen Angst, andere wollen am liebsten nicht wahrhaben, dass wir mit manchen Einschränkungen vielleicht noch lange leben müssen. Wir sind nicht gewohnt, unsere Pläne mehr als ein, zwei Wochen verschieben zu müssen.
Gerade diejenigen, die sich immer schon am Rande sehen, zu kurz gekommen und unverstanden fühlen, die glauben, niemand hört und beachtet sie in ihren Anliegen, tun sich schwer, Entscheidungsträgern und Gesetzgebern zu vertrauen.
Oft treibt sie die dunkle Ahnung um, Opfer einer Verschwörung zu werden, die in höchsten Kreisen ausgedacht und geplant, uns zu Marionetten einer skrupellosen Politik und bösen Geschäftemachern macht.
Und inzwischen fällt es immer mehr Menschen schwer, zwischen Gut und Böse, Richtig und Falsch, Gefahr und Sicherheit zu unterscheiden.
Wer trägt die Schuld an der Pandemie, wer hätte verhindern können, dass wir uns so zurücknehmen müssen, wer schlägt aus diesen Einschränkungen Profit?
Die Suche nach Sündenböcken hat in schwierigen Zeiten Hochkonjunktur:
Den Chinesen unterstellen manche Leute, das Virus im Labor entwickelt zu haben, den Politikern wird vorgeworfen, sie wollen uns unter Kontrolle bringen. Den Juden hat man in Pestzeiten nachgesagt, die Brunnen vergiftet zu haben. Frauen mit medizinischen Fachkenntnissen sollten mit dem Teufel im Bund stehen.
Ganz anders in der Pfingstgeschichte der Bibel: in ihr geht es darum, dass falsche Ängste und Vorurteile aufhören sollen:
Nach Ostern sitzen die Freunde und Freundinnen von Jesus verunsichert und ängstlich in ihren Häusern. Ihr Freund und Ratgeber, ihr Vorbild und Lehrer Jesus ist gestorben.
Dann sind sie ihm doch wieder begegnet: Erst einige, dann immer mehr von ihnen. Sie erzählen, er habe ihnen Mut gemacht, den gemeinsam begonnenen Weg weiter zu gehen: den Hungernden zu Essen zu geben, den Kranken zu helfen, den Verachteten Respekt zu bringen und die Wahrheit zu sagen, wo andere Irrtum säen wollen.
Und Jesus verspricht seinen Freunden eine Hilfe, die kommen soll, einen, der sie stark macht, ihnen Mut gibt und Wege zeigt – einen heiligen Geist.
Aber erst einmal merken sie wenig davon. Alles ist so anders – Jesus, kaum dass er bei ihnen zu sein scheint, ist schon wieder weg – zu Gott – in den Himmel.
Und wieder sind sie alleine. Dass sich unter ihnen Mutlosigkeit breit macht, Unstimmigkeiten nicht ausbleiben und die Frage im Raum steht, wie es nun weiter gehen soll, können wir uns wahrscheinlich gut vorstellen.
Und dann passiert es, dass sie plötzlich von diesem Geist erfüllt werden, der sie von Gott erzählen lässt, alle durcheinander, freudig, selbst überrascht und völlig befreit von Angst und Sorgen.
Die Menschen bekommen neue Kraft, auf die sie lange gewartet haben.
Gott schickt uns seinen heiligen Geist. Den Jüngern damals und uns heute.
Er hilft uns, damit wir nicht nur sehen mögen, was gerade geschieht, sondern, wie es sich in der Zukunft auswirkt,
Er verschafft Jungen und Alten gleichermaßen Gehör mit ihren Hoffnungen, ihren Wünschen und ihren Sorgen und Nöten.
Er lässt uns immer wieder einen Blick in eine Welt werfen, in der die kleinen Leute genauso viel zählen wie die Mächtigen.
Möge dieser heilende Geist unsere Herzen anrühren, auch heute – Pfingsten 2020.
In diesen Wochen haben wir den blauen Himmel und die Natur in und um unsere Städte mit neuen Augen gesehen. Vielleicht helfen uns diese Entdeckungen zu einer neuen Einstellung, wie viel wirklich nötig ist, um gut zu leben.
Wir haben die Chance bekommen andere Stimmen zu hören, als während der dauernden Geschäftigkeit in Beruf und Freizeit,
Wir haben gelernt, auch mit Abstand einander nahe zu sein.
Wir haben unsere Kinder, unsere Freunde viel besser kennen gelernt.
Wir haben Ideen gefunden, unseren Sport zu machen, Gottesdienste zu feiern,
Normalität zu schätzen, vorsichtig, aber nicht ängstlich zu sein, sorgsam, aber nicht hysterisch.
„Herr, schmeiß Hirn vom Himmel!“ Den Stoßseufzer meines Freundes kann ich oft gut verstehen. Aber mir ist gerade heute etwas anderes noch wichtiger: „Herr, lass Deinen Geist vom Himmel regnen!“
Möge er sich ausbreiten in unsere Köpfe und Herzen, damit die Geister des Misstrauens besiegt werden vom Geist der Besonnenheit.
Möge er unsere Lippen anrühren, damit unsere Worte helfen können, trösten und damit sie Klarheit schaffen, wo Verwirrung und Irrtum herrschen.
Möge Gottes Geist unseren Glauben stärken in schwierigen Zeiten.
O Komm du Geist der Wahrheit!
Und der Friede Gottes, der höher ist als alle menschliche Vernunft, bewahre unsere Herzen und Sinne in Jesus Christus
Amen
Es gilt das gesprochene Wort.