Evangelische Kirchengemeinde Bonn-Oberkassel
Vom Lieben und Sorgen
14.04.2024 10:05
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Predigt zum Nachlesen:
 

Gute Geschichten können auch öfter erzählt werden.

Manchmal ist vielleicht schon alles gesagt – aber diese eine Geschichte, die ist so gut.
Lass uns die noch erzählen.

Komm, wir setzen uns ans Feuer, zu den anderen. Legen nochmal Holz nach. Für diese Geschichte ist noch Zeit. Denn wer hätte gedacht, dass es am Ende gut ausgeht?

Das kann nicht oft genug erzählt werden.

Vielleicht ist es so gewesen, damals zur Zeit des Evangelisten Johannes. Menschen aus den noch jungen christlichen Gemeinden setzen sich zusammen. Andere kommen vielleicht dazu, bleiben stehen, lassen sich nieder, neugierig und fasziniert. Zeitzeugen, Männer und Frauen, die damals zu Jesu Lebzeiten dabei gewesen sind, gibt es schon lange nicht mehr. Aber die Geschichten sind immer noch lebendig. Vor allem rund um Ostern. Geschichten vom Auferstandenen.

So eine Geschichte findet sich für den Sonntag heute im Johannesevangelium. Heute wird sie für uns erzählt. - Denn Ostern ist noch lange nicht vorbei und Menschen erleben: Die Liebe ist stärker als der Tod.

Setzen auch wir uns dazu und hören aus Johannes, Kapitel 21.

I
Als sie gegessen hatten, sagte Jesus zu Simon Petrus:

»Simon, Sohn des Johannes, liebst du mich mehr als irgendein anderer hier?«

Petrus gab ihm zur Antwort:

»Ja, Herr, du weißt, dass ich dich liebhabe.«

Darauf sagte Jesus zu ihm:

»Sorge für meine Lämmer!« 

Jesus fragte ihn ein zweites Mal:

»Simon, Sohn des Johannes, liebst du mich?«

Petrus antwortete:

»Ja, Herr, du weißt, dass ich dich liebhabe.«

Da sagte Jesus zu ihm:

»Hüte meine Schafe!« 

Jesus fragte ihn ein drittes Mal:

»Simon, Sohn des Johannes, hast du mich lieb?«

Petrus wurde traurig, weil Jesus ihn nun schon zum dritten Mal fragte: »Hast du mich lieb?« –

»Herr, du weißt alles«,

erwiderte er

»Du weißt, dass ich dich liebhabe.«

 

Darauf sagte Jesus zu ihm:

»Sorge für meine Schafe! Ich möchte dir etwas sagen: Als du noch jung warst, hast du dir den Gürtel selbst umgebunden und bist gegangen, wohin du wolltest. Doch wenn du einmal alt bist, wirst du deine Hände ausstrecken, und ein anderer wird dir den Gürtel umbinden und dich dahin führen, wo du nicht hingehen willst.«

Jesus deutete damit an, auf welche Weise Petrus sterben würde und dass durch seinen Tod die Herrlichkeit Gottes offenbart würde. Er schloss, indem er sagte: »Folge mir nach!«

Ein Gespräch zwischen Jesus und seinem Jünger Simon, genannt Petrus. Früh am Morgen. Am Ufer des Sees Genezareth. Die beiden sitzen inmitten von vielen Menschen und doch scheint es nur sie beide zu geben. Sie beide ganz allein. Miteinander im Gespräch.

Von hier, von einem kleinen Dorf am Rande des See Genezareth ist Petrus damals aufgebrochen, als Jesus zu ihm sagte: Folge mir nach. Ich will dich zu einem Menschenfischer machen. Voller Enthusiasmus ist Petrus damals mitgegangen. Er war begeistert bei der Sache, drei Jahre lang immer vorne mit dabei.

Aber dann wird sein Lehrer und Meister Jesus verhaftet und ermordet.

Von einem Tag auf den anderen ist alles vorbei und wieder beim Alten:

Petrus – und einige der anderen Jünger – gehen zurück an den See Genezareth und machen jetzt wieder das, was sie eigentlich hinter sich gelassen hatten: Fische fangen.

Aber als sie an diesem Morgen mit leeren Netzen müde vom Fischen zurückkehren, gibt es ein Déjà-vu: Ein Mann steht am Ufer und sagt: „Werft die Netze noch einmal aus.“

Jesus. - Da steht er wie damals, als alles begann, und macht dann das, was er in all den Jahren oft getan hat: Jesus sorgt für seine Freunde. Auf sein Geheiß hin fangen sie so viele Fische, dass sie die Netze kaum ans Ufer ziehen können. Und als sie an Land kommen, ist da ein Feuer, es gibt gleich gebratene Fische, Brot ist schon da – und Jesus setzt sich mit ihnen zusammen. Sie reden und essen. Wie früher.

 

 

II
„(Simon) Petrus, Sohn des Johannes, liebst du mich mehr als irgendein anderer hier?“ – Was für eine intime Frage, die Jesus unerträglich direkt stellt. Und dann noch der Vergleich zu den anderen.

„Liebst du mich mehr als irgendein anderer hier?“ – Was soll Petrus jetzt sagen? Seine Liebe zu Jesus mit der Liebe der anderen Jünger vergleichen? Worauf will Jesus hinaus? Was will er denn hören?

Die letzte Begegnung war schwierig. Petrus erinnert sich nur sehr ungern daran: Kaum war Jesus verhaftet, da hat Petrus verleugnet, dass er Jesus überhaupt kennt. Er hatte Angst, ebenfalls festgenommen zu werden.

Nun fragt ihn der auferstandene Jesus. Petrus wird nervös, fühlt sich in die Enge getrieben, aber irgendwie antworten muss er ja. Und er gibt unruhig zurück: „Ja, Herr, du weißt, dass ich dich liebhabe.“

Jesus fragt ihn mit leiser Stimme ein zweites Mal: „Simon Petrus, Sohn des Johannes, liebst du mich?“ Und Petrus windet sich und in ihm winden sich die Erinnerungen: Die erste Begegnung mit Jesus hier am See, das muss drei Jahre her sein. Als sie völlig erschöpft mit leeren Händen und leeren Netzen dastehen und Jesus sagt: „Werft sie nochmal aus.“ Und dann sind die Netze plötzlich voll mit Fischen.

Es lag so nah, an dem Morgen alles stehen und liegen zu lassen und mit Jesus mitzugehen.

Und dann der Tag, an dem Petrus auf dem Wasser gehen konnte. Wie Jesus selbst. Ohne Angst. Für einige Momente ist sein Vertrauen unerschütterlich. Alles ist möglich!

Und der Tag, als Jesus mit ihm und ein paar anderen auf einen Berg geht, um zu beten. Plötzlich dieses Licht, das alles überstrahlt. Mose und Elia erscheinen. Petrus hätte am liebsten gleich Hütten gebaut hier oben auf dem Berg der Verklärung – eine für Jesus, eine für Elia, eine für Mose. Diesen himmlischen Moment hätte er so gerne festgehalten. So lang wie möglich.

Aber da gibt es auch diese eine Erinnerung, die sich wie Gift durch alle anderen Erinnerungen frisst, diesen einen Moment, von dem er sich wünscht, dass es ihn nie gegeben hätte, als er sagt: „Ich kenne diesen Mann nicht.“ –

Nach all diesen Erfahrungen von Vertrauen und Fülle verleugnet Petrus seinen Lehrer, Meister, besten Freund: „Ich kenne diesen Mann nicht.“

„Petrus, liebst du mich?“

„Ja, Herr, du weißt, dass ich dich liebhabe.“

Und Jesus, als ob er die Scham und die Erschöpfung in Petrus‘ Stimme nicht hören würde, fragt ein drittes Mal: „Petrus, hast du mich lieb?“

Als Jesus zum dritten Mal fragt, klärt sich etwas in Petrus. Die gemischten Gefühle aus Scham und Unsicherheit sortieren sich.

„Jesus, du weißt es doch. Du weißt, dass ich dich liebhabe.“

Ja, Petrus hat behauptet, Jesus nicht zu kennen. Er hat Jesus in einem sehr sensiblen Moment verraten.

Ja, Petrus ist ein Großkotz, der große Hüttenbauer und Wasserläufer. Selbstüberschätzung ist seine Kernkompetenz. Immer vorschnell und übermotiviert.

Aber: Petrus hat immer geliebt. Das muss Jesus doch wissen.

Und er antwortet – endlich: „Herr, du weißt alles. Du weißt, dass ich dich liebhabe.“

Und nun, endlich sehen die beiden sich lange an. Nun endlich ist alles klar zwischen ihnen. Natürlich hat Jesus es die ganze Zeit gewusst – jetzt aber wissen sie es beide. Auch Petrus. Und in diesem Moment sind alle Hoffnungen, die er sich gemacht hatte, alle Enttäuschungen, auch sein Versagen aufgehoben. All die nicht gebauten Hütten, seine Lügen und verpassten Momente sind nicht von Gewicht. In diesem Moment ist alles geklärt. Es ist gut.

Es ist gut. Still glücklich ist dieser Moment – auch für uns, die wir ja nur dabeisitzen.

Unsere verkorksten Lebens- und Liebesversuche reichen völlig aus. Sie spiegeln sich in der Liebe des auferstandenen Jesus zu uns – und es ist gut.

Wären wir allein mit unseren Versuchen zu lieben und zu leben, mit unserem Scheitern, mit unseren Fragen - es wäre nicht gut. Aber der Auferstandene ist bei uns. Fürsorglich wendet er sich uns zu mit Brot und Fisch und Feuer – mit all seiner Aufmerksamkeit und Geduld und Liebe.

Und: Es ist gut!

III
Und jetzt kann Petrus gut hören, was Jesus ihm schon dreimal gesagt hat: „Sorge für meine Schafe!“

Dreimal derselbe Auftrag. Dreimal dieselbe Anweisung – an einen unruhigen, ausweichenden Petrus, an einen zutiefst beschämten Petrus, gelähmt von der Erfahrung des Verrats - und an einen Petrus, der sich zuletzt doch der Liebe sicher sein kann.

Liebevoll hat Jesus ihn zurückgeholt. In die erste große Liebe und den Zauber des Anfangs zurückgeholt: „Petrus, du weißt, worum es geht. Du hast mich lieb. Deshalb: Sorge für meine Schafe.“

Auf den dreimal erteilten Auftrag gibt es keine Reaktion von Petrus. Jedenfalls keine, die das Johannesevangelium in Worte gefasst hat. Wieso fragt Petrus nicht nach an dieser Stelle? Und wieso gibt es keine weiteren Erläuterungen zu diesem Auftrag? Sorge für meine Schafe?

Eine genauere Aufgabenbeschreibung wäre sinnvoll. Der Mann neigt zur Selbstüberschätzung. Aber wenn‘s draufankommt, zieht er blank. Bei Petrus sind Zweifel durchaus angebracht - nach all dem, was wir über ihn wissen.

„Simon Petrus, hast du mich lieb?“

Petrus bekommt den Auftrag, weil er diese Frage mit „Ja“ beantworten kann. Weitere Qualifikationen scheinen hier nicht nötig zu sein.

Das Feuer im Sand ist mittlerweile heruntergebrannt.

Brot und Fische sind aufgegessen. Die Sonne steht schon halbhoch am Himmel.

Es ist still geworden um Petrus und Jesus.

Eigentlich ein Vieraugengespräch und doch waren wir mit dabei.

Und natürlich geht uns das an, was die beiden besprochen haben.

Viele fühlen sich zugehörig zu diesem Mann aus Nazareth.

Sind im Namen Jesu Christi getauft.

Viele sind schon ihr ganzes Leben mit ihm unterwegs. Und er mit uns.

Jesu Geschichten und Worte berühren, wenn er von der Liebe Gottes erzählt hat. Keiner konnte die Not der Menschen so gut sehen wie er. Keiner hat den Himmel so nah herangeholt und eine tiefe Sehnsucht nach dem Reich Gottes geweckt.

Der auferstandene Jesus und die Seinen am Strand vom See Genezareth am Feuer. Gedanklich sitzen wir dabei. Vielleicht ist es still geworden in uns. Die Geschichte zwischen Jesus und Petrus berührt. Die ersten sind vielleicht schon aufgestanden und suchen ihre Sachen zusammen.

Andere hängen noch ihren Gedanken nach.

Jesus hat für uns gesorgt. Ich bin satt.

Nicht nur von den Fischen und dem Brot.

Satt geworden ist auch meine Seele.

Alles ist wieder da: Die Erinnerungen an Jesu Geschichten vom Reich Gottes. Die Erinnerung daran, wie er die Menschen angesehen hat. Mit ihnen geredet hat. Sie heil gemacht hat.

Es ist alles wieder da – und es wird jetzt Zeit aufzubrechen.

Denn der neue Tag wird voll Menschen sein, die liebevoll gesehen werden wollen und für die es zu sorgen gilt.

Gott sorgt für uns. Seine Liebe ist sogar stärker als der Tod.

Diese Geschichte muss unbedingt weitererzählt werden. Sie ist zu gut.

Und natürlich geht der Auftrag auch an uns, die wir eben noch im Morgengrauen am Feuer gesessen haben. Ich höre Jesus sagen:

Ihr, die ihr schon lange mit mir unterwegs seid.

Ihr, die ihr berührt worden seid durch meine Worte und Geschichten.

Ihr, die ihr manchmal zweifelt und manchmal scheitert.

Lasst euch ansehen! Bleibt in der Liebe! Sorgt euch!

Ich höre Jesus sagen: Folgt mir nach und sorgt euch um die Menschen!

Amen.

Es gilt das gesprochene Wort.

DLF-Gottesdienste